Blicke in die Großsachsener
Geschichte
Am 2. Juli 2004 fand in der alten Turnhalle in Großsachsen ein
Vortrag des Historikers Rainer Gutjahr aus Karlsruhe statt unter dem Thema
"Großsachsens
Geschichte von A bis Z". |
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Der Vortrag führte uns, ähnlich einer
Zeitreise, zurück in unsere Vergangenheit bis in die Jungsteinzeit über die Villa Rustica, die Gründung von Großsachsen über das Mittelalter bis in die Gegenwart.
Ich finde es interessant, wenn man sich bewusst macht, wie viele Generationen
schon im Apfelbachtal gelebt haben und so wie wir Freud und Leid empfanden. Man
kann stolz auf unsere 4000 Jahre alte Geschichte sein. Unser Leben ist
schließlich endlich. Was von uns bleibt, ist unsere Geschichte und das, was wir
geschaffen haben.
Deswegen ist es gut, dass es Menschen gibt wie
Historiker, die diese Geschichten aufschreiben und für die Nachwelt erhalten.
Ich danke Herrn Gutjahr für die Überlassung
seines Manuskriptes und die Genehmigung, dieses in meiner Homepage
veröffentlichen zu dürfen.
Es folgt das Manuskript von Herrn
Rainer Gutjahr mit einigen Bildern
von uns. Zwei Zeitungsberichte hierzu können Sie öffnen, wenn sie oben auf die
Bilder klicken.
Da die Bilder etwas größer sein mussten wegen der Lesbarkeit,
bitten wir um etwas Geduld.
Willi Eck
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Der heutige Vortrag soll keinen Durchgang
durch die Großsachsener Geschichte von A bis Z bieten. Wir wollen vielmehr
einige wichtige Aspekte herausgreifen. Ausgangspunkt soll der heute
vorfindliche Zustand sein, anhand dessen wir die Dinge zu Reden bringen
wollen. Mein Beitrag ist aus den Archivalien heraus entwickelt; er soll im
Gespräch nach dem Vortrag seine Ergänzung finden aus der Erinnerung des
hier anwesenden sachkundigen Publikums, das die jüngere Geschichte aus der
eigenen Anschauung und aus den Erzählungen von Eltern und Großeltern viel
besser kennt als ich. |
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Villa rustica
Unser Blick fällt auf die
Überreste der Villa rustica und führt uns damit in die Zeit der römischen
Herrschaft, hinein in das Gefüge der Provinz Germania superior
„0bergermanien“. Zu diesem Gefüge gehörten die
Straßen. So lag die römische Fernstraße Basel-Neuenheim-Ladenburg-Mainz in
Sichtweite „unserer“ Villa; eine Stichstraße von Ladenburg zum „Hohen
Stein“ sicherte die Verbindung der Villa zur überörtlichen Fernstraße. |
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Im
römischen vicus Neuenheim und natürlich in Ladenburg, dem Vorort der
Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium fanden die landwirtschaftlichen
Erzeugnisse der Villa ihren Absatzmarkt.
In der örtlichen Elite
Ladenburgs vermutet man auch den Eigentümer der Villa; wenige Fundstücke,
wie ein goldener Ring, dann aber die letzte Ausbaustufe der Villa mit Bad,
Wasserbecken und Heiligtum lassen auf wohlhabende Besitzer schließen. Zu
den Göttern, die hier verehrt wurden, gehörte die aus dem ägyptischen Raum
stammende Isis. Dass ihrem Mysterienkult von den Bewohnern der Villa
gehuldigt wurde, belegt ein Fundstück mit gewissem Seltenheitsgrad: das
Griffstück einer sogenannten Isisrassel.
Die Villa selbst ist ein
Zeugnis für den Zugriff der Römer auf das Land: dieser Zugriff geschah
nicht von einem Dorf aus, sondern von dem isoliert in der Flur gelegenen
Einzelgehöft. Wenn wir so wollen, erinnern die heutigen Großsachsener
Aussiedlerhöfe im Umfeld der Villa in etwa an diese römische Gewohnheit.
Die besondere Qualität der
Villa und die beispielgebende Dokumentation der Ausgrabung durch Frau Dr.
Hagendorn haben dazu geführt, dass der Name Großsachsen inzwischen einen
Stammplatz in der Literatur über das römische Germanien errungen hat.
Hirschberg besitzt damit ein Pfund, mit dem es durchaus wuchern kann.
Die Ausgrabung der Villa war
insofern ein Glücksfall, als dadurch ein Zeitfenster in die Geschichte
Großsachsens geöffnet wurde, das weit über die 200 Jahre hinausreicht, in
der die Villa als Landgut existiert hat. Unter den Fundamenten der Villa
fanden die Ausgräber Stücke, die in die Jungsteinzeit gestellt werden. Sie
belegen, dass der fruchtbare Boden auf dem Schwemmkegel des Apfelbachs von
der jungsteinzeitlichen Bevölkerung genutzt wurde; die Landwirtschaft auf
Großsachsener Gemarkung kann damit auf eine über 4000-jährige Geschichte
zurückblicken.
Das Fundmaterial aus der Villa
schlägt weiterhin auch eine Brücke in die nachrömische Zeit. Verdrängt
wurden die Römer durch germanische Volksteile, die man herkömmlich als
Alamannen bezeichnet. Sie setzten sich in Großsachsen sozusagen ins
gemachte Nest: die Nutzung der vorhandenen, durch eine Straße
erschlossenen landwirtschaftlichen Flur ersparte ihnen mühsame
Rodungstätigkeit; sie nutzten auch die Steinbauten der Villa oder was noch
von ihr stand. Sie entzündeten ihr Feuer im Bereich des Badetraktes. Die
Fähigkeit, Gebäude in gemörtelter Steinbauweise auszuführen, war und blieb
den Alamannen zwar weitgehend fremd; sie machten sich aber die Außenwände
der Villa einfach derart nutzbar, dass sie ein hölzernes Bauwerk daran
anlehnten.
Schließlich „erbten“ die
Großsachsener Alamannen eine weitere reizvolle Zugabe der römischen
Hinterlassenschaft: den weiten Blick auf die Bergstraßenlandschaft, das
Vorgebirge und die Berge des Odenwaldes. Dieser Blick bietet sich,
verändert zwar, aber in Grundzügen bis auf den heutigen Tag und belohnt
jeden, der den Fußweg vom Marktplatz zur Villa nicht scheut. Wenn wir
genauer hinsehen, entdecken wir zwischen den Pappeln hindurch den
Großsachsener Kirchturm, der einen der zentralen Orte des alten Dorfes
markiert.
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Kirche
Hier sind wir „by der Kirchen
Marie Magdalen“. Die komplizierte Kirchengeschichte Großsachsens soll uns
heute nicht beschäftigen. Nur so weit zur Erinnerung: Großsachsen war
ursprünglich kirchlich nicht selbstständig. Es gehörte zur Pfarrei St.
Jakob zu Hohensachsen.
Gleichzeitig aber wurde der Ortsteil südlich des Apfelbachs vom Pfarrer zu
Leutershausen betreut.
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Diese Verhältnisse blieben auch
nach der Reformation (1556) bestehen; eine Reihe von Zinseinkünften der
Kirche St. Jakob erinnerte bis in die Zeit der Grundlastenablösung im 19.
Jahrhundert an diese Verhältnisse.
Einen eigenen- nun schon
reformierten Pfarrer- erhielt die Gemeinde 1608; um 1670 musste der
Pfarrer von Leutershausen den Gottesdienst in Großsachsen versehen. Zur
eigenen Pfarrei erhoben wurde Großsachsen erst um das Jahr 1800.
Seine erste Erwähnung findet
das Kirchengebäude zum Jahr 1430 im Zusammenhang mit dem Gerichts- oder
Tagungsort des Zentgerichts. Die Zent pflegte ihr Gericht „by der Kirchen
Marie Magdalen“ zu halten. Hier hatten die Zentschöffen ihr Gestühl, auf
dem sie Platz nahmen. Germanischem Rechtsbrauch zufolge tagten die
Gerichte unter freiem Himmel, oder, wenn wir so wollen, im Angesicht
Gottes. Ich vermute, dass die Gerichtsstühle nicht auf freier Straße,
sondern auf dem Friedhof standen, der die Kirche umgab. Die heutige
Ummauerung des Kirchengeländes vermag noch einen Eindruck der
mittelalterlichen Verhältnisse zu vermitteln. Wir müssen dabei aber
bedenken, dass der für den Friedhof zur Verfügung stehende Raum größer
war; die Kirche beanspruchte bis zu ihre Neubau um 1725 weniger als die
Hälfte der heutige Grundfläche. Im Visitationsbericht von 1496 werden die
Friedhofsmauer sowie ein Beinhaus erwähnt, das dazu half, die
Belegungszeit der Gräber zu reduzieren. Der Zugang zum Friedhof oder aber
die Mauer selbst waren zu diesem Zeitpunkt schlecht verwahrt. Es heißt,
dass die Schweine in den Kapellenfriedhof eindringen würden. Offenbar
genoss das Vieh innerhalb des von einem Zaun oder lebenden Hecke umgebenen
Ortsetters eine gewisse Bewegungsfreiheit. Vielleicht fanden die Schweine
aber auch gelegentlich des Ein- oder Austreibens durch den Schweinehirten
den Weg zum allzu schlecht verwahrten Friedhof.
Die Mauer verlieh der Kirche
den Anschein einer Wehrkirche; noch 1687 heißt es, die Kirche sei „gerings
herumb mit einer hohen, wöhrhaften Mauer umbgeben“.
Ein neuer Friedhof wurde um das
Jahr 1700 angelegt; er erstreckte sich auf der Höhe des heutigen
Pfarrhauses zwischen Kirchgasse und Haagackerweg. In Einzelfällen wurde
der alte Friedhof noch bis in die Zeit um 1820 belegt; es seien bis in
diese Zeit vor allem im Kindsbett verstorbene Frauen hier beerdigt worden.
Unstreitig stellt die
Großsachsener Kirche auf ihrem hervorgehobenen Platz am Ende eines
Geländesporns eine besondere Zierde des Ortes dar. 1430 erstmals erwähnt,
gehörte der Vorgängerbau der heutigen Kirche zum Typ einer Chorturmkirche
und kann damit der romanischen Stilepoche zugeordnet werden. Möglich, dass
der Chorbogen im heutigen Kirchenbau ein Relikt dieser alten Kapelle
darstellt. Zeigt sich das Kirchengebäude heute nach außen in einem sehr
ansprechenden Zustand, so war dies in früheren Zeiten nicht
selbstverständlich. Für 1496 besitzen wir, wie erwähnt, einen ersten
Bericht über den Zustand der Kapelle. Hier heißt es, dass der Chor vor
einiger Zeit neu und prächtig hergerichtet worden sei, dass aber jetzt der
Regen den Mauern des Chores zusetze, was sehr zu bedauern sei. Der Altar
der Heiligen Jungfrau Maria sei an zwei Stellen zerbrochen; auch am
Hochaltar sei eine Ecke verdorben. Ein Missale sei nicht vorhanden.
Auch der 30-jährige Krieg
hinterließ die Kapelle in einem heruntergekommenen Zustand; 1674 ist sie „bey
denen damaligen französischen Kriegstroublen ganz abgebrannt, auf deren
Platz hernacher ein neues Gebäu aufgerichtet worden, so noch also stehet“
– so der Bericht von 1687.
Bei der pfälzischen
Kirchenteilung von 1705 fiel die Kirche den Reformierten zu. 1724 erhielt
der Baukommissar Born den Auftrag, eine neue Kirche zu erbauen, die von
ihrer Grundfläche mehr als das Doppelte der alten Kapelle darstellte. Der
Turm blieb bei dieser Neubaumaßnahme erhalten; vielleicht bekam er aber
eine neue Glockenstube mit welscher Haube und einem Laternenaufsatz.
Der von Born errichtete
Kirchenbau ist in wesentlichen Teilen bis heute erhalten. Eine
Besichtigung des Bauwesens ergab 1759 beträchtliche Schäden: so war der
Dachstuhl schadhaft, der Turm wies einen Riß auf, der seinen Einsturz
befürchten ließ. 1760/61 baute Baumeister Scherrer den neuen Turm und
errichtete eine neue Westfassade, die auf Wunsch der Gemeinde mit ihrem
barock geschwungenen Giebel prächtiger ausfiel als eigentlich geplant.
Abgesehen vom Einbau der Empore zu Anfang des 19. Jahrhunderts ist der
Kirchenbau unverändert auf uns gekommen.
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Schule
Sehr lange sehr eng mit der
Kirche verbunden war die Schule; Schulen auf den Dörfern gab es in der Kurpfalz
seit der Reformation, d. h. für Kurpfalz seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert.
Dies lässt sich z. B. für Leutershausen belegen, hier kam die Förderung des
örtlichen Schulwesens aus der Familie der Junker von Hirschberg, den Ortsherren
also. |
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Die Großsachsener Schule dürfte in der
gleichen Zeit entstanden sein, ausdrücklich belegt ist sie aber erstmals
kurz nach dem 30-jährigen Krieg durch eine Besoldungstabelle des
Schulmeisters, der für den Schul- und Glockendienst 5 ½ Gulden, vier
Malter Korn und drei Batzen Schulgeld von jedem Schulkind im Quartal zu
fordern hatte, damit also ein armer Schlucker war. 1687 heißt es dann:
„allhier ist weder Pfarr- noch Schulhaus, weilen der Pfarrer zu
Leutershausen wohnet, dahero muss die Gemeind dem Schulmeister eine nötige
Wohnung verschaffen, und ist dasjenige Haus, worinnen der Schulmeister
wohnet, die gemeine Badstuben gewesen.“
Frühere Benutzer dieser Quelle
im Generallandesarchiv haben statt „Badstube“ „Backstube“ gelesen, es
heißt aber ganz zweifelsfrei Badstube. In einem Backhaus lässt sich keine
Schule unterbringen. Der Hinweis auf das einstige Vorhandensein einer
Badestube ist kulturgeschichtlich sehr interessant; wie wir wissen,
verschwanden derartige Einrichtungen, die der öffentlichen Hygiene
dienten, im Übergang des Mittelalters zur Neuzeit; das vermehrte Auftreten
von ansteckenden Krankheiten und veränderte Moralvorstellungen im Gefolge
der Reformation machten den Badestuben den Garaus. Wenn wir mit einigem
Recht das alte Schulhaus, bzw. seinen Vorgängerbau am Mühlgraben mit
dieser Badestube gleichsetzen, so verweist seine Lage am fließenden
Gewässer auf die ursprüngliche Verwendung.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts
musste die Gemeinde mit einigem Widerwillen auf Druck der Obrigkeit das
reformierte Schulhaus neu errichten. Die Bauinschrift „1786“ berichtet
noch davon. Die Lage zwischen Mühlgraben und Apfelbach brachte Probleme.
1819 wurde Wasser im Keller festgestellt, wobei die Frage zu erörtern war,
ob das Wasser aus dem Mühlgraben oder vom Ablauf des Judenbades herrührte.
1834 beklagte sich Lehrer Frei über seine feuchte Wohnung, die er für
seine Gichtkrankheit verantwortlich machte. Sei Vorgänger sei im Alter von
nur 39 Jahren an dieser Krankheit gestorben. Es stehe jedem Staatsdiener
eine gesunde Wohnung zu. Diese Äußerung brachte ihm einen Verweis des
Schulinspektors, des Weinheimer Dekans Külp ein: Frei solle sich künftig
bei seinen Gesuchen einer anständigeren Sprache bedienen. Frei wies ferner
darauf hin, dass das katholische Schulhaus nach Verlangen des Lehrers
repariert worden sei: „Was dem einen recht ist, muss dem anderen billig
sein“. Mit dieser Bemerkung verdarb es sich der Lehrer mit dem
Gemeinderat; dieser verbat sich den Tonfall und den Vergleich mit der
katholischen Schule. Er warf ferner, als Retourkutsche, dem Lehrer vor,
Schulbänke zu einem Taubenschlag zweckentfremdet zu haben. Das Attest des
Amtsphysikus aus Weinheim beeindruckte dann immerhin auch den Gemeinderat,
der Geld zur Reparatur bereitstellte, was aber die Missstände nicht
beseitigen konnte. Die Bezirksschulvisitatur drang 1837 auf einen Umbau
bzw. eine Erweiterung der Schule, in der Lehrer und Unterlehrer
gleichzeitig in einem Raum die untere und die obere Abteilung der Kinder,
insgesamt ca. 140 Schüler unterrichteten. Es sei dies eine „pure
Unmöglichkeit“, der schlechte Zustand dieser Schule rühre hauptsächlich
daher.
Nach einigem Hickhack einigten
sich Gemeinderat und Bezirksamt auf die Aufstockung der Schule in
Fachwerkbauweise. Dabei bestanden zunächst Bedenken, ob die Statik des
Gebäudes eine solche Aufstockung vertrüge. Während des Umbaues und der
notwendigen Auslagerung der Schule kam es zu Auseinandersetzungen zwischen
dem Bezirksamt und dem Gemeinderat; dieser forderte mehr Verständnis für
die finanzielle Lage der Gemeinde: „Es ist, wie jener Schneider sagte,
alles wie mans macht“.
Hatte Schullehrer Frei auf die
angeblich besseren baulichen Zustände des katholischen Schulhauses
hingewiesen, so war aber auch dort nicht alles in besten Verhältnissen.
Ein katholischer Schullehrer
lässt sich seit 1711 in Großsachsen nachweisen. Ein katholisches Schulhaus
wurde um 1731/32 bezogen, wozu ein Haus aus eigenen Mitteln der Katholiken
erworben wurde. Auf Beharren der Regierung und nach Beilegung eines
Streites um seine Finanzierung entstand auch das katholische Schulhaus um
1787 neu. Es ist dies das Haus im Schulgässchen. Im August 1875 unterwarf
der Amtsarzt dieses Schulhaus einer „gesundheitspolitischen Besichtigung“,
die nicht günstig ausfiel: „In der katholischen Schule fließt das
Küchenabwasser in den Garten, der hierdurch versumpft ist und die Wand des
Hauses durchfeuchtet. Es ist hierfür eine wasserdichte Grube zu graben.
Die Aborte sind über einer wasserdichten Grube anzubringen. Zwei Zimmer im
unteren Stocke, von denen eines an das Schullokal grenzt, sind zu
Hühnerstall verwendet. Es ist diese Verwendungsart dem Lehrer zu
untersagen und die Lokalitäten zu reinigen und rein zu halten ... Die
Straße vom Schulhaus herab nach der Dorfstraße ist vom Unrat zu reinigen
und hier mindestens eine Rinne zu pflastern“.
Kurz nach dieser Mängelrüge
ging in Baden das Zeitalter der konfessionell getrennten Schulen zu Ende.
Das katholische Schulhaus wurde aufgegeben; die Schüler aller Konfessionen
wurden fortan im ehemals evangelischen Schulhaus unterrichtet, das hierfür
aber zu eng war. 1886/87 musste es 193 Schüler aufnehmen. Das Bezirksamt
bemängelte, dass die Kinder nicht schreiben könnten, ohne sich gegenseitig
zu behindern. Ab 1887 überlegte man deshalb, wo eine neue Schule erbaut
werden könnte. Zunächst fiel die Wahl auf den Schuhmannschen Baumgarten,
der Baugrund erschien hier aber als zu problematisch; ein Platz am
Friedhof in der Kirchgasse wurde erwogen, dann aber wieder
verworfen, weil die Bevölkerung einen Platz in der Ortsmitte bevorzugte.
Außerdem pfeife in der Kirchgasse ein zu kalter Wind, was für die
Gesundheit der Kinder schädlich sei, wenn sie erhitzt aus der Schule
kämen. So kam man auf den Schuhmannschen Garten zurück, obwohl das dort zu
errichtende Gebäude eine aufwändige Fundamentierung benötigte. 1889 wurde
der Bauplan des Weinheimer Baumeisters Reiboldt genehmigt. In Gestaltung
und Ausstattung richtete sich der Neubau an der badischen
Schulbauverordnung von 1884 aus. Im November 1890 konnte der Neubau
eingeweiht werden. Die Kosten für Bau samt Einrichtung und Überwölbung des
Apfelbachs vor dem Schulgelände betrugen ca. 80 000 Mark; in heutige
Währung umgerechnet auf wenigstens 500 000 €. Der Gemeinde wurde von der
zuständigen Kreisschulvisitatur bescheinigt, ein „sehr schönes“
Schulgebäude errichtet zu haben. Somit besaß nun auch Großsachsen einen
von den damals überall in Baden entstehenden „Schulpalästen“.
Er erfüllte seinen Zweck bis in
die 1960er Jahre.
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Rathaus
Was wäre eine Gemeinde ohne Rathaus?
Neben der Kirche und der Schule gehört es zu den Mittelpunkten des
gemeindlichen Lebens. Man kann immer wieder lesen, das Rathaus stamme aus
den Jahren um 1740. Dies ist so nicht richtig. Eine erste Erwähnung findet
sich für 1687, es heißt hier: „Das gemeine Rathaus allhier hat die
Gemeinde schon bei 200 Jahr eingehabt, ist diesmals sehr baufällig, und
wird zu den gemeinen Geschäften gebraucht.“ Mit zeitlichen Zuschreibungen, die
sonst nicht belegt sind, ist es so eine Sache. Nehmen wir aber einmal an,
die Nachricht aus dem Jahre 1687 sei nicht völlig aus der Luft gegriffen,
dann würde das Rathaus aus den Jahren nach 1480 stammen. Zu dieser Annahme
passt auch ein Architekturteil des Gebäudes: der halb verdeckte Spitzbogen
an der östlichen Giebelseite. Er könnte auf eine Errichtung des Gebäudes
noch zur Zeit der Gotik hinweisen. |
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Dann hätte das Rathaus eine halb oder
ganz offene Halle im Unterstock aufgewiesen, wie dies z. B. für das
Schriesheimer Rathaus gilt. Leider hat sich bis dato kein
Architekturfachmann gründlich mit dem Bau befasst – was jetzt anlässlich
der Renovierung geschehen könnte. Bedauerlich ist auch, dass das Rathaus
in den Quellen nicht allzu oft fassbar wird. Wir wissen, dass sich im
Rathaus die „Betzenkammer“ befand, in der Übeltäter „brummen“ mussten. Wir
wissen auch, dass im Rathaus die „Gerichtskiste“ stand, in der die
Gemeinde wichtige Urkunden, Bücher und Akten aufbewahrte. Hier versammelte
sich auch die Gemeinde, d. h. die das Bürgerrecht besitzenden Männer zu
wichtigen Rechtsakten bzw. Gerichtsterminen. Viele der Verwaltungsakte
dürften indessen in den privaten Behausungen der Schultheißen und später
der Bürgermeister abgelaufen sein. Auf diesem Wege ist dann nachweisbar
das eine oder andere Aktenbündel nicht in der Gemeinderegistratur
gelandet, wo es hingehört hätte, sondern blieb im Haushalt des
Amtsträgers, bis es endlich irgendwann im Herd oder Ofen verbrannt wurde.
Eine Aufstellung des
Gemeindevermögens aus dem Jahre 1834 führt uns das in diesem Jahr im
Rathaus vorhandene Inventar vor. Es dokumentiert die Bedeutung des
Rathauses als Zentrum des gemeindlichen Lebens. 11 Lehnstühle für die
Sitzungen des Gemeinderates sind hier verzeichnet, Schreibutensilien,
Registraturschränke, das silberne Gemeindesiegel dokumentieren die
Verwaltungstätigkeit. Ein Paar Handschellen verweisen auf die
polizeilichen Befugnisse des Bürgermeisters. Als neu angeschafft werden
bezeichnet die Porträts der Großherzoglichen Familie – somit war die
Landesherrschaft im Bild präsent. Schließlich war das Rathaus auch der
zentrale Anlaufort für die Feuerbekämpfung: es wurden hier aufbewahrt die
mit 300 Gulden versicherte Feuerspritze – das wertvollste Inventarstück
der Gemeinde überhaupt – 200 Feuereimer, 2 Feuerleitern und 2 Feuerhaken.
Genannt werden schließlich Uhr und
Glocke, die auf dem Dach des Rathauses im Dachreiter saßen. Seit wann es
eine öffentliche Uhr in Großsachsen gibt, lässt sich nicht näher
bestimmen, dies gilt sowohl für die Rathausuhr, wie auch für die Uhr im
Kirchturm. Beide Uhren waren bzw. sind Eigentum der politischen Gemeinde.
An ihren Zifferblättern konnten die Großsachsener jedenfalls ablesen, was
die Uhr geschlagen hatte. Dazu war es notwendig, dass das Uhrwerk
beständig gewartet, aufgezogen und geschmiert wurde. Zuständig dafür war
lange Zeit der Schulmeister im Ort, der als Gegenleistung ein Entgelt mit
dem schönen Namen Uhrschmiergeld zu beanspruchen hatte. Der Lehrer ganz
offiziell als Schmiergeldempfänger!
Bis ins Jahr 1868 oblag dem
evangelischen Schullehrer auch das Läuten der so genannten Zehnuhrglocke
auf dem Rathaus. Auf seine Pflichten als Glöckner bezog sich eine dem
Schulmeister zukommende Abgabe der Einwohner, das so genannte Glockenbrot.
Der Tagelöhner zahlte dafür jährlich 2 Kreuzer, jeder Landwirt entrichtete
pro Kuh 9 Kreuzer, pro Ochse oder Pferd 18 Kreuzer. Mit dem Wegfall des
Glöcknerdienstes wurde auch diese von den Einwohnern ab und zu
angefochtene Abgabe auf gehoben.
Mit der Rathausglocke wurde auch die
Einwohnerschaft versammelt, z. B. zur Versteigerung des Grases vom
Landgrabendamm und von der Waid. Dass man die Glocke für wichtig und
unverzichtbar betrachtete zeigt sich daran, dass man in wirtschaftlich
sehr schwieriger Zeit, im November 1919, beschloss, die im Krieg
abgelieferte Rathausglocke durch eine neue zu ersetzen; als sie geliefert
und angebracht war, wurde festgesetzt, dass der Polizeidiener täglich um
12 Uhr und in der Abenddämmerung zu läuten habe. Mit dem Abendläuten
scheuchte man wohl auch die Kinder ins Haus!
Die in den Quellen ab und zu
ausdrücklich als sparsam beschriebenen Großsachsener trieben mit ihrem
Rathaus keinen vermeidbaren Aufwand. So stellte das Bezirksamt im Jahr
1888 dem Rathaus ein sehr schlechtes Zeugnis aus. Es sei ein sehr altes
Gebäude mit dünnen Riegelwänden, niederen Zimmern und sehr schlechten
Böden. Der Neubau eines Rathauses stehe wohl angesichts des Zustandes des
jetzigen „in nicht unabsehbarer Ferne“. Der Amtmann empfahl deshalb,
Ratszimmer und feuerfestes Archiv in der neu zu errichtenden Schule
unterzubringen, um überflüssige Kosten zu vermeiden.
Der Gemeinderat folgte indessen
diesem Vorschlag nicht und so wurde, auf Drängen des Bezirksamtes, in den
folgenden Jahren immer wieder Reparaturen und 1906 auch eine
Außenrenovierung vorgenommen. Der Erste Weltkrieg verzögerte die Lösung
der drängenden Rathausfrage. Ein Neubau, der das für eine moderne
Verwaltungstätigkeit unzureichende alte Gebäude ersetzt hätte, kam nicht
zustande. Vielmehr profitierte die Gemeinde letztlich von der
wirtschaftlichen Notlage der 20er Jahre. Die Bast-AG zu Nürnberg,
Nachfolger der Firma Müller u. Feder, verkaufte 1929 das „Beamtenwohnhaus“
an der Landstraße der Gemeinde für 28 000 Reichsmark. Nachdem man die
Bewohner des Erdgeschosses ins Obergeschoss umgesiedelt hatte, konnte die
Gemeindeverwaltung Ende September 1930 in das nunmehrige neue Rathaus
umziehen.
Das alte Rathaus ging in den Besitz
von Julius Adler über, der dort sein „Warenhaus“ unterhielt, bis infolge
der „Zwangsarisierung“ das Gebäude wieder an die Gemeinde zurückfiel.
Dieser Tage wird das alte Rathaus
renoviert – das neue Rathaus ist gerade dabei, sich von der
Brandkatastrophe des letzten Jahres zu erholen. |
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Der Apfelbach
Anders als in Leutershausen spielte das
Thema „Wassermangel“ in der Großsachsener Geschichte keine bedeutende
Rolle. Dies verdanken die Großsachsener neben ihren Quellen auch „der
gemein Bach, so durchs Dorf läuft“, wie es 1549 heißt. Der Name Apfelbach ist seit der frühen Neuzeit belegt, als Wappensymbol
des Großsachsener Ortswappens besitzt er eine alte Tradition. |
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Der
Apfelbach teilt den Ort in einen nördlichen und einen südlichen
Teil, was für die kirchliche Organisation aber auch für die örtliche
Verwaltung eine Rolle spielte. Auf
den Abdeckungen seiner Bachmauer, den „Brücke(n)deckeln“, wie man in
Großsachsen sagte, stellte man Lasten ab, ließ sich aber auch zum Plausch
mit den Nachbarn nieder oder beobachtete von dort, was sich auf der Straße
längs des Baches alles tat. Auswärtigen, die durch Großsachsen kamen, fiel
dies wohl als Besonderheit des örtlichen sozialen Lebens auf, und so
erklärt sich der Übername „Brückehocker“, mit dem man die Großsachsener
schmückte.
Der Apfelbach verursachte freilich den
Großsachsenern auch Kosten und Arbeit. Im sogenannten Zentbuch vom Ausgang
der 1680er Jahre heißt es, dass die Großsachsener den Bach vom „Hangenden
Stein“ bei Heiligkreuz bis zur Landstraße sauber zu halten hatten. Dass
diese lästige Verpflichtung nicht immer zur völligen Zufriedenheit der
jeweiligen Obrigkeit erfüllt wurde, lässt sich aus den Quellen belegen.
1911 z.B. monierte der Bürgermeister, dass innerhalb des Ortes Unrat aller
Art und sogar verendete Kleintiere in den Bach geworfen würden, was bei
einer Strafe von 100 Mark oder 14 Tagen Haft zu unterlassen sei.
Öffentliches Ausschellen dieser Verfügung und Bekanntgabe in den Schulen
„durch die Herren Lehrer“ sollten helfen, den Missstand zu beseitigen. Im
Kontrast zu dieser Verfügung steht die Meldung aus dem Sommer des gleichen
Jahres, dass der Bach unterhalb des Wasserwerks der Firma Müller u. Feder
gestaut worden sei, „um der hiesigen Jugend Gelegenheit zu bieten, sich in
dem kühlenden Nass nach Herzenslust zu erfrischen.“
Die Eindolung des Apfelbachs im
Ortsbereich in den Jahren 1959/60 hat entscheidende Änderungen bewirkt.
Von größeren Schlammbänken bei den Brücken am Schulhaus und bei der
Presshefefabrik, wie sie das Bezirksamt einst zu bemängeln hatte, ist
nichts mehr zu sehen.
Der auf dem Dia zu erblickende neue Damm
des Rückhaltebeckens oberhalb der Hessenmühle zeigt, dass ab und zu nicht
der Wassermangel, wohl aber ein Zuviel an Wasser den Anliegern des
Apfelbachs zu schaffen machte. Überliefert sind Ereignisse der Kategorie
Jahrhunderthochwasser für 1770 und 1771, zu Pfingstsonntag 1859, vom 14.
Juli 1955 und von 1962. Die zuletzt genannten Hochwasserereignisse sind
wohl noch einigen der heute hier Anwesenden in Erinnerung. Zum 1770er
Hochwasser hören wir: „Gleich anfangs im Mai ist dahier eine Wasserflut
gewesen, fast gleich einem Wolkenbruch, es hat den Müllern auf der ganzen
Bach die Wehr aus dem Grund gerissen. Dahier ist kein einziger Steg liegen
geblieben, ist in alle Höf geflossen und überall in das Feld, so dass gar
viele Frucht zu Grund gegangen ist.“
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Dem Apfelbach verdankt Großsachsen ein
besonderes Charakteristikum: die Vielzahl der Mühlen, die einst im Dorf
und im Tal klapperten. |
An oberster Stelle haben wir die
Klosamühle. Sie entstand mit landesfürstlicher Konzession von 1789 aus dem
Pochwerk des eingegangenen Bergwerks und Hüttenbetriebs „Zur Hilfe
Gottes“. Ihr erster Besitzer Seelmann plante zunächst die Errichtung einer
Gips- und Tabakmühle. Mit der Konzession von 1789 aber wurde sie gegen den
Widerstand der übrigen Müller durch Seelmann bzw. seinen Schwiegersohn
Kochler als Mahlmühle errichtet. Sie trug zunächst den Namen „Schmelz“
oder „Schmelzmühle“ in Erinnerung an die vorige Verwendung für den
Hüttenbetrieb. |
Böckle-Mühle siehe weiter unten |
Für die Kunzmühle besitzen wir ebenfalls
sozusagen den Geburtsbrief. 1529 gaben Schultheiß, Gericht und
Bürgermeister zu Großsachsen dem Konrad Johann Becker zu Leutershausen und
seiner Ehefrau Ottilia einen Wiesenplatz im Tal, „so man gegen
Asmansweiler gehet“, in Erbbestand, damit der Beständer dort eine Mühle
errichten könne. Die Mühle trug bis ins 19. Jahrhundert hinein den Namen
„Weidenmühle“.
Die Spitzermühle im Tal ist um 1740
entstanden als Nebenmühle der Weidenmühle, zunächst mit einem Ölgang, dem
bald ein Mahlgang hinzugefügt wurde. Auf dem Weg der Erbteilung kamen
Weidenmühle (Kunz) und die Nebenmühle (Spitzer) um 1800 an
unterschiedliche Besitzer.
Die „Böcklemühle“ ist nachweisbar seit dem
frühen 17. Jahrhundert als Schleifmühle im anteiligen Besitz von
Großsachsener Schmieden, die hier ihre Erzeugnisse: Hacken, Spaten, Äxte
usw. schliffen. Wieder gegen den Widerstand der bereits vorhandenen Müller
erteilte die Landesherrschaft 1794 einem der Eigentümer (Philipp Volz) das
Recht zur Errichtung eines Mahlganges.
Die Haassche Mühle ist ebenfalls 1549
schon vorhanden. Sie trug ursprünglich den Namen Kaisermühle.
Die Schrödermühle ist seit 1312 erwähnt;
aus dem Besitz der Pfalzgrafen ging sie in den Besitz des Klosters Schönau
über, dem der über der Mühle liegende Marbacher Hof gehörte. Sie hieß
früher „Hilsmühle“.
Die Merkelmühle ist 1549 vorhanden. Sie
wurde oft bezeichnet als die Mühle „unten an der Lettengass“.
Die Spitzermühle im Dorf, die „untere
Mühle“, lässt sich seit 1474 fassen. Unter ihren Besitzern ragt Peter
Becker heraus, Schultheiß zu Großsachsen und Zentgraf der Zent Schriesheim
zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Wir begegnen seinem Namen inschriftlich
auf dem Ortsbrunnen. Nach einer ihrer Besitzerfamilien wurde die Mühle
lange als die Straubische Mühle bezeichnet.
Langjährige Besitzerfamilien waren die
Harbart, die auf der Schrödermühle von 1569 bis zu Ende des 17.
Jahrhunderts erscheinen. Auf der Weidenmühle (Kunz u. Spitzer) saßen die
Keller vom Ende des 17. Jahrhunderts bis gegen 1815. Schließlich sind die
Merkel zu nennen, die von 1758 bis 1955 Besitzer der nach ihnen benannten
Mühle waren.
Die überlieferten Mühlengebäude Spitzer im
Tal, Schröder, Merkel und Spitzer im Dorf lassen auf einen gewissen
Wohlstand der Müllerfamilien schließen. Oftmals kam zu dem Mühlenbesitz
noch umfangreicher landwirtschaftlicher Grundbesitz hinzu. Die
wirtschaftlich guten Zeiten der Müller endeten erkennbar im ausgehenden
18. Jahrhundert. Schuld daran waren nicht zuletzt die kriegerischen Wirren
der Revolutionskriege, wohl aber auch im Falle Großsachsens, die
Errichtung von zwei neuen Mahlmühlen (Klosa/Böckle) und der Erweiterung
der Weidenmühle (Kunz) um die Nebenmühle (Spitzer). Die Probleme werden am
Grundbuch greifbar: Überschuldung, daraus resultierender häufiger
Besitzerwechsel kennzeichnen die Lage.
Die Konkurrenzsituation der Müller
untereinander schlug sich in immer wieder feststellbaren Spannungen
nieder. Bald beschwerte sich der weiter unten liegende Müller darüber,
dass ihm sein Konkurrent das Wasser nehme, bald klagte der oben liegende
über Schwellwasser in seinem Betterichgraben, wofür der unten liegende
durch zu heftiges Aufdämmen gesorgt hatte.
Das große Mühlensterben in Großsachsen
vollzog sich dann in den Jahren rund um den Zweiten Weltkrieg bis in die
jüngste Vergangenheit hinein. Mit den noch vorhandenen Mühlengebäuden samt
teilweise erhaltener Mühlentechnik besitzt Großsachsen einen historischen
Schatz, der der Erhaltung wert ist.
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Landstraße
Neben dem Apfelbach besitzt Großsachsen in
der Landstraße eine prägende Achse von geschichtlicher Bedeutung, die zur
Zeit Probleme bereitet, die in der Vergangenheit von großer
wirtschaftlicher Bedeutung war. An den lebhaften Reise und Güterverkehr
auf der Bergstraße erinnern vor allem zwei Gebäude: das Zollhaus und die
„Krone“. |
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Der Zollstation wurde in der Zeitungsserie bereits gedacht. Die
„Krone“, die unter diesem Namen bereits im 17. Jahrhundert erwähnt ist,
spielte eine Rolle als Rasthaus an der Bergstraße, in dem Reisende und
Fuhrleute ausspannen und mit ihren Zug- oder Reittieren ein Nachtquartier
finden konnten. Es ist jüngst geglückt, ein Reisetagebuch der Prinzen
Albrecht und Bernhard von Sachsen-Gotha ausfindig zu machen, die mit ihrem
Gefolge am 19. April 1667 „abends um 7 Uhr zu Großensachsen in der
Bergstraßen, einem churpfälzischen Dorffe, 2 ½ Stunden von Heidelberg“
ankamen und „das Nachtlager in dem Wirtshause zur Crohnen“ bei dem Wirt
Joachim Weidner hielten, der am folgenden Morgen seinen Gästen eine
Rechnung für Essen, Trinken und die Pferde von 8 Gulden und 14 Kreuzer
präsentierte. Joachim Weidner übte zugleich das Amt des Zöllners und
Schultheißen zu Großsachsen aus. Sein steinernes Grabmal befand sich noch
in den 1770er Jahren in der Kirche zu Großsachsen: „Anno 1672 den V.
September starb der edel- und wehrhafte Herr Joachim Weidner,
churfürstlich pfältzischer Rittmeister über eine Compagnie zu Pferd der
Schriesheimer Zent. Seines Alters 53 Jahr 2 Monat, dessen Seele Gott
gnädig seye“. Ob sich dieser Stein unter Putz noch erhalten hat?
In die Regierungszeit des
Kurfürsten Karl Theodor fällt der Bau eines Systems von Kunststraßen oder
Chausseen, die wesentlich zur Erleichterung des Verkehrs und Transports
dienten. Mit der Gründung einer Chausseenkommission begann 1764 der zügige
Ausbau des Netzes von Chausseen, das Mannheim zum Knotenpunkt
hatte, ansonsten sich
aber an den wichtigeren Handelswegen ausrichtete. Der Bau dieser
chaussierten Kunststraßen blieb, nach unseren heutigen Begriffen, die
Aufgabe spezialisierter Unternehmer. Die Untertanen hatten sich mit
Chausseegeldern und Fronfuhren daran zu beteiligen. Grundlage für die
jeweilige Leistungspflicht der Gemeinden war die Anzahl des dort
vorhandenen Zugviehs an Pferden und Ochsen. Die Untertanen empfanden den
Chausseebau vielfach nicht als einen zu begrüßenden Fortschritt, sondern
als eine weitere Last.
Im Zuge des Chausseebaues sollte in
Großsachsen der Apfelbach mit einer Brücke überspannt werden. Gegen dieses
Vorhaben wendeten sich im Jahre 1777 die von der Gemeinde bestellten
„unruhigen“ Deputierten in einer aus der Sicht des Oberamtes
„unverschämten Klage“.
Für Unterhaltung und Reparatur
der Straßendecke waren distriktweise die Gemeinden zuständig. Die
fronbaren Untertanen zu Großsachsen erwiesen sich 1787 in dieser Hinsicht
als säumig, weshalb sie von der „Hohen Regierung“ zur Erlegung einer
„Exekutionsgebühr“ angehalten wurden. Erst in badischer Zeit wurden um
1830 die Chausseebaufrondienste schließlich abgeschafft.
Eine gewisse Verödung der Straße trat mit
dem Bau der Main-Neckar-Bahn ein, die Reise- und Frachtverkehr von der
Bergstraße abzog; Wirte, Wagner und Schmiede bekamen dies zu spüren. Der
Bahnverkehr begann am 1. August 1846; in einem Reisewerk von 1850 heißt es
dann: „Wenn man von Großsachsen nach Weinheim will, ist es jedenfalls
rätlicher, den Weg durch die Dörfer Hohensachsen und Lützelsachsen
einzuschlagen, als auf der Landstraße weiterzugehen, zumal letztere durch
die Anlegung der Eisenbahn ziemlich vereinsamt ist.“
Diese Situation veränderte sich mit der
Anlage der Nebenbahn Weinheim-Heidelberg im Jahre 1890. So recht glücklich
wurden die Großsachsener freilich mit dieser Bahn nicht. 1902 forderten
die Großsachsener und die Leutershausener in einer Petition an den
Badischen Landtag gemeinsam die Herstellung einer direkten Hauptbahnlinie
Weinheim-Heidelberg, wodurch die Nebenbahn überflüssig geworden wäre. In
einem in diesem Zusammenhang entstandenen Bericht für den badischen
Landtag heißt es 1902 bezüglich der Klagen über die Nebenbahn: „Dieselbe
benütze meist die Landstraße und führe zu Unzuträglichkeiten für die
Fuhrwerke, Radfahrer usw. Sie ziehe in den Ortschaften dicht an den
Häusern hin und belästige durch die häufige Absperrung der Straßen sowie
durch den Lärm und Rauch. Sie sei überdies keine zuverlässige Verbindung,
weil sie durch jeden größeren Schneefall aufgehalten werde und bei
größerer Kälte die Neckarbrücke bei Heidelberg nicht befahren könne. Man
habe diese Zustände über ein Jahrzehnt ertragen, müsse nunmehr aber
entschieden auf Abhilfe dringen.“ Der Rauch ist inzwischen verschwunden,
das dichte Vorbeiziehen der Nebenbahn vor den Häusern hat sich nicht
geändert und dass die OEG-Züge bei ihrer Durchfahrt durch Großsachen kein
Verkehrshindernis seien, lässt sich auch nicht behaupten.
Für eine weitere Belebung der Landstraße
sorgten nach der Jahrhundertwende von 1900 die neuen Motorfahrzeuge. Gegen
den von ihnen aufgewirbelten Staub suchte man sich dadurch zu schützen,
dass man die Landstraße 1911 innerörtlich mit einer Teerdecke versah. Dem
gefährlichen Rasen suchte man beizukommen, indem man die Großsachsener
Polizei 1912 mit einer Stoppuhr zum Messen der Geschwindigkeit der
Motorfahrzeuge ausstattete.
In diesen Tagen erleben wir die heftige
Diskussion darüber, wie man am besten den überbordenden Verkehr aus dem
Ort verbannen könne.
Damit hätten wir den Bogen geschlagen von der Vor- und Frühgeschichte in
Großsachsen bis zu den drängenden Problemen der Gegenwart. Ich danke Ihnen
für Ihre Geduld.
Rainer Gutjahr
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