Historisches Groß-Sachsenheim

Groß-Sachsenheim.

Ein großes Dorf auch an der Bergstraße drei Stunde von der Oberamts Stadt Heidelberg nordwärts entlegen. Es hat zu Nachbarn gegen Osten den im Gebirge liegenden Weiler Heilig Kreuz; gegen Süden Leutershausen; gegen Westen Heddesheim, und gegen Norden Hohen-Sachsenheim. Zum Unterschiede der folgenden beiden Orte wird es Groß-Sachsenheim genennet. Im Jahre 887 heiset es: Sahssenheim alter; im Jahre 1130 aber schon Sahssenheim major.
 

Das Kloster Lorsch hatte dahier beträchtliche Güter und Gefälle, wovon die besten Stücke als Lehen veräussert worden. Man findet schon im Jahre 1150 in einer Urkunde des Klosters Schönau Ernst von Sachsenheim und seinen Bruder Bligger von Steinach als Zeugen adelichen Standes angeführet. Auch hatte Kurpfalz nebst den der landesherrlichen Befugniß anklebigen Gerechtsamen von undenklichen Zeiten her mehrere Domanialgefälle daselbst, deren einige das in dortiger Gegend angesessene alte Geschlecht von Hirzberg zu Lehen trug. Nach dem alten Zinsbuche vom Jahr 1369 war das Zentgrafen- und Fautamt zinsbar; von den Frefeln aber hatte Kurpfalz ein Drittel, und die von Hirzberg das übrige zu beziehen.

Durch das Dorf lauft die zu Rippenweiler und Heilig Kreuz entspringende Aepfelbach, die unterhalb des Ortes der Landgraben genennet wird, und sich mit andern dazu fliesenden Wassern unterhalb Lorsch in die Weschniz ergieset. Sie betreibet 6 Mahl- und 1 Oehlmühle.

Die Bergstraße ziehet unten durch das Dorf, woselbst eine Zollstätte (Bleicherts Haus) angeleget ist. Die ganze Inwohnerschaft belief sich im Jahre 1784 auf 181 Famil und 674 Seelen. An Gebäuden waren 1 Pfarr-, 2 Schul- und 119 andere Häuser, 6 Mühlen. Die Gemarkung enthält 449 Morgen Aecker, 125 Morgen Wingert, 91 Morgen Wiesen, 20 Morgen Garten, 210 Morgen Weide, und 152 Morgen Wald.

Jene Weide und Waldung ist in zwölf besondere Bezirke abgetheilet, welche sämtlich der Gemeinde zuständig sind. Aber die geistliche Administration besizet auch wegen des Klosters Schönau zween Distrikte, wovon der eine das Marbacher Münchwäldchen, und der andere das Forlenwäldchen am Heidenloche heisen. Noch drei andere Bezirke sind ein Eigentum einzelner Inwohner. Unter den zwölf Distrikten des gemeinen Waldes nennet sich einer der Thalberg, welcher um deßwillen merkwürdig ist, weil darin vormals ein Kupferbergwerk gewesen.

In der Gemarkung liegt auch ein beträchtlicher Meyerhof, Marpach genannt, der zu den ursprünglichen Stiftungsgütern des Klosters Lorsch gehörte, bis der Abt Udalrich solchen ums Jahr 1070 mit vielen andern Gütern der Zelle zu Michelstatt im Odenwalde übergeben hat, wie sein Nachfolger, Abt Anselm, in einer Urkunde vom Jahre 1095 bezeuget. Etwa hundert Jahre darnach brachte ihn das Kloster Schönau an sich, welche Erwerbung der Abt Sigehard von Lorsch und Pfalzgraf Konrad, als des Klosters Schirmvogt, ums Jahr 1186 für gültig erkläret haben. Besagtes Kloster verblieb also in dessen ruhigem Besize, und so kam dieser Hof an die geistliche  Güterverwaltung, welche selbigen erbbeständlich verliehen hat.

Die Katholischen gehören ursprünglich als Filialisten zur Pfarrei Hohen-Sachsenheim, haben sich aber eigenmächtig nach Leutershausen eingepfarret. Die alte Kirche ad S. Mariam Magdalenam haben die Reformirten in der Theilung erhalten, die solche jedoch nicht als eine Pfarrkirche gebrauchen, sondern als ein Filial von Hohen-Sachsenheim. Die Lutherischen gehören zu der Pfarrei Schriesheim.

Der Weinzehnten in der Gemarkung wird von Kurpfalz, dem Deutschen Orden, und den Grafen von Wieser, als Besizern der Hirzbergischen Lehen, bezogen. Schon im Jahre 1369 hatte Kurpfalz vom gemeinen Weinzehnten die zwölfte, von einem Bezirke aber, der Rynebacken genannt, die sechste Logel, und das Kloster Schönau musste von seinen Gütern und dem obgedachten Hofe Marpach jährlich zehen Eymer Weins entrichten. Am großen Fruchtzehnten genieset der Deutsche Ritterorden die Hälfte, die Grafen von Wieser fünf, und die von Gemmingen ein Zwölftel. Vom kleinen Zehnten aber beziehen gedachte Grafen zwei Drittel, und die Reformirte Pfarrei das übrige.

An Freigütern befinden sich in der Gemarkung die Hirzbergische, dermalen Gräflich-Wieserische; die Freiherrlich-Ulnerische; die Weinheimer Hospitals die Jesuiten- und die Reformirten Pfarrgüter.

Vormals war zu Groß-Sachsenheim das ordentliche Zentgericht. Das oben angezogene alte Zinsbuch giebt davon bereits einen Beweis. Es findet sich aber noch ins besondere die im Jahre 1430 aufgerichtete Weisung der Zentschöffen zu Großen-Sachsenheim über der Pfalz Obrigkeit und Herrlichkeit daselbst, wornach ein Pfalzgraf für einen obersten Faut und Herrn derselben Zent erkläret wird, daß, wenn einer stirb, ohne nach Landesgewohnheit das Zentrecht aufgegeben zu haben, Kurpfalz das fahrende Haab, und den Erben das liegende Gut heimgewiesen werden soll. Daraus ist also zu schliesen, daß erst zu Ende des XV Jahrhunderts das Zentgericht nach Schriesheim, und zwar, als dieser Flecken wiederum mit der Kur vereiniget ward, verleget worden sey.

Auszug aus:

B e s c h r e i b u n g
der
Kurfürstlichen Pfalz
am Rheine

Johann Goswin Widder 1786