Reisegesellschaft auf der Bergstraße


(Quelle: Museum der Stadt Weinheim)

Dieser Tage bekam ich von Herrn Rainer Gutjahr die Broschüre "Unser Museum" (Mitteilungen des Förderkreises des Museums Weinheim - Nr. 20/2009) überreicht.

Bericht zu den Landkarten
von Rainer Gutjahr

               

(Quelle: Museum
der Stadt Weinheim)
 

Hier wird auf dem Titelbild eine wunderschöne handkolorierte Federlithografie um 1817 "Die allerneueste Reisegesellschaft auf der Bergstraße ..." dargestellt. Dieses schöne Bild möchte ich meinen Besuchern nicht vorenthalten. Das Original befindet sich im Besitz des Museums in Weinheim.

Wenn man sich vorstellt, im Jahr 1817 am Rande der Oberen Berstraße zu stehen und dem Treiben und Strampeln der Reisenden zuzusehen, kann man sich denken, wie anstrengend damals die Reise nach Frankfurt mit so einem Vorgänger unserer heutigen Fahrräder war. Man kann nur staunen, und ganz sicher annehmen, es wurden mit diesem Gefährt viele Schuhe und Stiefel zerschlissen. Andererseits hatte man viel Bewegung und das Herz und der Kreislauf, der gesamte Körper, wurden sehr gut trainiert. Das wäre doch eine neue Idee für unsere Sportfreunde. Viel Spaß und viel Vergnügen.

Willi Eck

 

Bergstraße, Odenwald und unterer Neckar
im Kartenbild der
„Franconiae mappa locupletissima“

 


Um es gleich vorwegzunehmen: zur Planung und Durchführung einer Reise eigneten sie sich wirklich nicht, die 1692 erstmals im Druck veröffentlichten insgesamt 64 Teilkarten der „Franconiae mappa locupletissima“ des Nürnberger Kartographen Georg Conrad Jung; dies trotz des verheißungsvoll klingenden lateinischen Namens, der sich etwa als „überaus reichhaltige Karte Frankens“ ins Deutsche übertragen ließe. Erkennbar gilt diese Einschränkung vor allem für die Teilkarten, die nicht mehr in den eigentlichen Kernbereich Frankens gehören.
Der vollständige Titel des Kartenwerks lautet „ Franconiae mappa locupletissima. Land-Tafel Deß gesambten Fränckischen Crayses in 64 Blätter abgetheilt.“ Das Werk wiederum ist zusammengefasst in einem Buch, dessen typischer barockzeitlicher Titel das Vorhaben näher erläutert: „S. R. Imp. Circuli Franconici Geographica Delineatio [geographische Abbildung des fränkischen Kreises des Heiligen Römischen Reiches], Francken-Land mit Seinen Gränzen / in 64 Tabelln, zu handsamen Gebrauch also zertheilt / vorgestellet. Samt einem Indice, über alle darinnen befindliche Oerter: worunter aller / Geist- und Weltlichen Fürstl. Residenzien / Reichs-Städte / Städte und Städtlein / sowol anderer nambhafften Clöster / Schlösser / Vestungen / und Marckflecken / Longitudines [Längen] und Latitudines [Breiten] richtig beygefügt: Zugleich auch die Lineen der unterlegten Posten von Nürnberg nach andere Städte umher mit eingebracht.“ Die 64 Blätter haben eine Größe von je 19,0 x 13,2 cm. Der Maßstab beträgt 1: 255.000, wobei der Abstand der Breitengrade in den oberen acht Blättern merklich verjüngt ist und sich in Nord-Süd-Richtung ein Verjüngungsverhältnis von 1:387.000 ergibt. Die Tafeln oder Blätter tragen Hinweise auf die jeweiligen Anschlusskarten. Sie sind ferner umlaufend mit nach Gradminuten unterteilten Randleisten versehen. In ihrer Ausdehnung geht das Gesamtwerk weit über das eigentliche Gebiet des Fränkischen Reichskreises hinaus, im Norden bis Hersfeld, Salzungen und Gera, im Osten bis Meerane, Furth im Wald und Kötzing, im Süden bis Calw, Donauwörth und Plattling, im Westen bis Mainz, Worms und Durlach.
[1]
Autor des Kartenwerks ist Georg Conrad Jung; er wurde am 19.November 1612 in Rothenburg ob der Tauber geboren; er verstarb in Hoheim bei Kitzingen am 16. September 1691. Der Beruf des Kartographen wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt; sein aus Feuchtwangen gebürtiger Vater Johann Georg Jung (1583 – nach 1641), der 1607 das Bürgerrecht in Rothenburg erwarb, war von Beruf Maler und Glasschneider und betätigte sich mit Erfolg ebenfalls als Kartograph, dessen guter Ruf weit über Franken hinaus reichte. Zeugnis des gemeinsamen Wirkens von Vater und Sohn ist eine 1641 vollendete Straßenkarte für das Gebiet des Deutschen Reiches unter dem Titel „Totivs Germaniae novvm Intinerarivm“, in Übersetzung: „Neue Straßenkarte des ganzen Deutschland“. Dem kartographischen Lebenswerk des Georg Conrad Jung lassen sich etwa 30 Kartenwerke zuordnen, die vorwiegend Franken und Hohenlohe betreffen.
Über sein Vorgehen bei der Erstellung der Franconiae mappa locupletissima äußert sich der Verfasser in einem Vorwort – „Vortrag“ – , in dem er darauf hinweist, dass er „aus denen besten und neuesten Geographis“ geschöpft habe, deren Karten freilich durch ihn, seinen Bedürfnissen entsprechend, „regulirt“ worden seien. Er räumt dabei ein, dass sich ein besseres Ergebnis hätte erreichen lassen, wenn er „das gantze Land umher beritten und selbsten den Augenschein wegen der Situation der Oerter“ genommen hätte. Dass das von Jung gewählte Verfahren zu großen Irrtümern führte, lässt sich aus den abgebildeten beiden Teilkarten unschwer erkennen und wird uns noch beschäftigen. Er nahm bewusst auch Abstand von der Eintragung politischer Grenzen, damit – angesichts der vielfältigen Grenzstreitigkeiten und gegenseitigen ungeklärten Ansprüchen der Zeit nur zu verständlich – keiner Herrschaft in ihrer „Jurisdiction zu nahe getretten würde“. So findet sich in der hier reproduzierten Tafel XXXIII mit der Eintragung „Palatinatus Rheni“ nur ein nicht näher eingegrenzter Hinweis auf das Territorium der Kurpfalz.
Straßen finden keine Berücksichtigung, abgesehen von den im ausführlichen Titel erwähnten, von Nürnberg ausgehenden Postrouten, die aber nicht durch das Gebiet der beiden hier vorgestellten Teilkarten oder Tafeln führten.
Problemzonen bilden die Überlappungen der Teilkarten. Dies wird sichtbar in den Tafeln XXXIII und XLI etwa am Beispiel von Leutershausen, das auf beiden Teilkarten erscheint. Einmal ist der Ort mit dem Kennzeichen einer Stadt (drei Turmspitzen), das andere Mal mit dem Kennzeichen eines Dorfes (eine Turmspitze) versehen. Einmal liegt es an einem nicht näher bezeichneten Wasserlauf, der wohl als der durch Schriesheim (in der Karte „Schiesheim“) fließende Kanzelbach zu verstehen ist; das als „Cantzelbach“ verzeichnete Dorf ist nicht existent, vielleicht liegt eine Verwechslung mit Kunzenbach vor, das dann aber falsch lokalisiert wäre. Dies ganz abgesehen davon, dass der in Frage kommende Wasserlauf des Kanzelbachs in Ladenburg den Neckar erreicht und nicht, wie in Karte XLI dargestellt, gegenüber Frankenthal in den Rhein mündet. Auf Karte XXXIII liegt Leutershausen dagegen zutreffend fernab eines der Kartierung würdigen Gewässers.
Größere Wasserläufe, wie in unseren Karten Rhein und Neckar, sind mit einer Doppellinie und dazwischen befindlichen Schraffuren gekennzeichnet. Doppellinie und Schraffuren sind da unterbrochen, wo eine Brücke über den Fluss führt; dafür steht das Beispiel der Heidelberger Neckarbrücke in Tafel XLI. Gebirge, wie der Odenwald, sind mit den herkömmlichen Bergsymbolen dargestellt.
Wälder, wie sie sich in Ebenen finden, sind durch die Darstellung von Laubbäumen gekennzeichnet, hier finden wir auf Tafel XLI die Lußhart („Lussart“), die der Kartograph freilich in dem Kleinen Odenwald verlegt, wo sie doch südlich von Hockenheim ihren Platz zu finden hätte.
Eine zeithistorisch bemerkenswerte Aktualität bezieht sich auf das von den Franzosen im Pfälzer Erbfolgekrieg 1689 in Schutt und Asche gelegten Speyer: wir sehen die Flammen aus der Stadtsignatur heraus züngeln!
Das Hauptthema der Karte XXXIII ist, wenn wir so wollen, der Lauf der Weschnitz von ihrem Ursprung bis zur Mündung in den Rhein. Leider sind auf diesem Blatt die Wasserläufe nicht mit ihren Namen bezeichnet. Darüber hinaus weist diese Karte so viele Irrtümer und Unrichtigkeiten auf, dass wir hier darauf verzichten müssen, sie vollständig zu benennen. Der Betrachter der Karte ist also eingeladen, selbst eine zuverlässige Karte von Odenwald und Bergstraße zum Vergleich heranzuziehen, etwa die Karte des Odenwaldklubs. Wie gesagt ist die Weschnitz das beherrschende Thema der Karte XXXIII. Sie zieht sich in der Mitte des Kartenbildes von Ost nach West, wobei ihr starkes Abknicken nach Nord-Westen nach ihrem Austritt aus dem Gebirge bei Weinheim hier nicht zur Darstellung kommt. Immerhin ist die Einmündung des Grundelbachs, der sich aus der Nähe von „Flockenbach“ herbeischlängelt, in die Weschnitz in Weinheim zutreffend eingetragen. Zutreffend ist die Abfolge der an der Weschnitz gelegenen Orte und Siedlungsplätze Weschnitz, vielleicht auch Leberbach („Eberberg“), Fürth, Fahrenbach („Farnbach“), Rimbach, Mörlenbach, Birkenau und Weinheim. Reisen („Reussen“) ist weit von seiner richtigen Stelle weggerückt. Dafür holt der Kartograph noch eine Reihe weiterer Orte aus dem Odenwälder Zusammenhang herbei und platziert sie kühn an die Weschnitz: „Guntersbach“ (Güttersbach?), Hiltersklingen, Falkengesäß, Finkenbach, Igelsbach und Gammelsbach. Kurzerhand wird auch noch Viernheim („Wirnheim“) an den Lauf der Weschnitz oberhalb Weinheims verlegt. Völlig aus der Luft gegriffen ist der Lauf eines Gewässers, das von Zell im Norden nach Süden zur Weschnitz fließt. Käfertal („Kewerdal“), Sandhofen und Scharhof finden sich da, wo wir eigentlich Gernsheim, Stockstadt und vielleicht Pfungstadt erwarten könnten.
Was den Verlauf der Bergstraße angeht, so ist der räumliche Zusammenhang von Leutershausen und den Sachsenorten halbwegs zutreffend wiedergegeben. Das westlich davon liegende Wallstadt ist gleich zweimal eingetragen („Walstat“, „Waldstat“). Nördlich von Weinheim wird die Situation wieder problematisch. Der Rand des Odenwaldes rückt nahe zum Rhein, Laudenbach („Lautenbach“), Lampertheim und Neuschloss, Hemsbach („Hanspach“) und Zell geraten so in den Odenwald. Die bedeutenderen Orte Heppenheim und Bensheim fehlen ebenso wie übrigens auch Lindenfels. Dafür wird Kirschhausen nach Osten verlegt.
Werfen wir einen Blick in den Odenwald um Waldmichelbach, so entdecken wir die an sich zutreffende Abfolge von Olfen, Waldmichelbach, den beiden Schönmattenwag und Heddesbach. Hirschhorn an der Einmündung des Laxbaches in den Neckar suchen wir wieder vergeblich. Die Lokalisierung von Hebsthal mag dahingehen, der Sensbach, an dem es liegt, mündet freilich nicht in den Laxbach, sondern in die Itter, deren Mündung in den Neckar zwar angedeutet scheint, es fehlt aber das an dieser Mündung gelegene Eberbach.
In einem ziemlichen Durcheinander befindet sich schließlich der Kartenteil nördlich von Rimbach und Fürth. Angedeutet ist der Lauf der Gersprenz zwischen den viel zu weit auseinander liegenden Klein und Groß-Gumpen. Zwischen den beiden Gumpen und Brensbach („Prenzbach“) fehlen beispielsweise Reichelsheim, Pfaffen-Beerfurth und Fränkisch-Crumbach. Ober- und Unter-Ostern sind aus ihrem räumlichen Zusammenhang gerissen, wie auch Ober- und Unter-Mossau und Hüttenthal.
Rätsel wirft das am oberen Kartenrand aufragende, als Burg oder Festung gekennzeichnete „Reilbach“ auf. Von der Lokalisierung her ist an dieser Stelle Schloss Lichtenberg zu erwarten, in dessen Umgebung freilich weder Erzbach („Ertzbach“) noch Mittershausen („Muttershausen“) zu suchen sind.
Unter den Absonderlichkeiten, wie sie die Karte XLI bietet, und soweit deren nicht schon gedacht ist, sei das zweimalige Vorkommen von Wiesloch („Wiseloch“) erwähnt, das zudem, ebenso wie Leimen und Nußloch, an die Elsenz („Elsass“)verlegt wird. Dort, wo die Elsenz in den Neckar mündet, finden wir Schlierbach eingetragen, während das dort zu suchende Neckargemünd aufwärts an der Elsenz seinen Platz findet. Die Zuordnung von Dilsberg und Neckarsteinach lässt sich einigermaßen nachvollziehen, nicht aber die Lokalisierung von Hirschhorn halbwegs zwischen Neckarsteinach und Kloster Neuburg („Cl. Neuburg“), Lobenfeld, Helmstadt und vor allem Gauangelloch („Angeloch“). Daneben geraten ist auch die Situation an der Bergstraße nördlich von Neuenheim. Handschuhsheim („Heidschbuscheim“) und der Heiligenberg wandern samt einem Teil des Odenwaldes hinaus Richtung Rhein. Am oberen Kartenrand findet sich, halbwegs zutreffend, das winzige Ritschweier („Rutschweyer“); unerklärlich bleibt die Nennung eines Ortes „Breienstein“; ob die Burg Freienstein oberhalb Gammelsbach damit gemeint sein soll, lässt sich nur vermuten.
Auch linksrheinisch ist einiges durcheinander geraten: der Speyerbach, der seit der dort 1703 geschlagenen Schlacht Bekanntheit besitzt ist zwar in seinen Lauf von Dudenhofen bis Speyer zutreffend eingezeichnet, sein Name „Speierbach fl.“ ist aber dem durch Schifferstadt fließenden Rehbach, einem Abzweig des Speyerbaches, beigelegt, an dem auch die Rehhütte („Rhehutten“) zu suchen ist. Geinsheim und Rheingönheim („Reyngheinheim“) sind ebenfalls unzutreffend lokalisiert, statt „Muttersheim“ und „Orgersheim“ ist natürlich Mutterstadt und Oggersheim zu lesen.
Soweit die Bemerkungen zu den beiden Tafeln, die durchaus als Kuriosa aus der Geschichte der Kartographie bezeichnet werden können. Wer sie näher betrachten möchte, kann das im Museum der Stadt Weinheim tun, das die Blätter seit kurzem besitzt.

Rainer Gutjahr
 

[1] Hierzu und zur Person des Georg Conrad Jung vgl. Wilhelm Bonacker, Grundriss der fränkischen Kartographie des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Mainfränkische Hefte, 33, 1959, insbes. S. 32-77. Ders.: Georg Conrad Jung and his Manuscript Map of Franconia, in: Imago Mundi, 14, 1959, S. 113 ff. Ferner: Peter Fleischmann: Die zweite Landesaufnahme des Markgrafentums Brandenburg-Ansbach durch Georg Conrad Jung (1612-1691), in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken, 95, 1990-1991, S. 155-178. 

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