Um es gleich vorwegzunehmen: zur Planung und Durchführung einer
Reise eigneten sie sich wirklich nicht, die 1692 erstmals im Druck
veröffentlichten insgesamt 64 Teilkarten der „Franconiae mappa locupletissima“
des Nürnberger Kartographen Georg Conrad Jung; dies trotz des verheißungsvoll
klingenden lateinischen Namens, der sich etwa als „überaus reichhaltige Karte
Frankens“ ins Deutsche übertragen ließe. Erkennbar gilt diese Einschränkung vor
allem für die Teilkarten, die nicht mehr in den eigentlichen Kernbereich
Frankens gehören.
Der vollständige Titel des Kartenwerks lautet „ Franconiae mappa locupletissima.
Land-Tafel Deß gesambten Fränckischen Crayses in 64 Blätter abgetheilt.“ Das
Werk wiederum ist zusammengefasst in einem Buch, dessen typischer
barockzeitlicher Titel das Vorhaben näher erläutert: „S. R. Imp. Circuli
Franconici Geographica Delineatio [geographische Abbildung des fränkischen
Kreises des Heiligen Römischen Reiches], Francken-Land mit Seinen Gränzen / in
64 Tabelln, zu handsamen Gebrauch also zertheilt / vorgestellet. Samt einem
Indice, über alle darinnen befindliche Oerter: worunter aller / Geist- und
Weltlichen Fürstl. Residenzien / Reichs-Städte / Städte und Städtlein / sowol
anderer nambhafften Clöster / Schlösser / Vestungen / und Marckflecken /
Longitudines [Längen] und Latitudines [Breiten] richtig beygefügt: Zugleich auch
die Lineen der unterlegten Posten von Nürnberg nach andere Städte umher mit
eingebracht.“ Die 64 Blätter haben eine Größe von je 19,0 x 13,2 cm. Der Maßstab
beträgt 1: 255.000, wobei der Abstand der Breitengrade in den oberen acht
Blättern merklich verjüngt ist und sich in Nord-Süd-Richtung ein
Verjüngungsverhältnis von 1:387.000 ergibt. Die Tafeln oder Blätter tragen
Hinweise auf die jeweiligen Anschlusskarten. Sie sind ferner umlaufend mit nach
Gradminuten unterteilten Randleisten versehen. In ihrer Ausdehnung geht das
Gesamtwerk weit über das eigentliche Gebiet des Fränkischen Reichskreises
hinaus, im Norden bis Hersfeld, Salzungen und Gera, im Osten bis Meerane, Furth
im Wald und Kötzing, im Süden bis Calw, Donauwörth und Plattling, im Westen bis
Mainz, Worms und Durlach.
[1]
Autor des Kartenwerks ist Georg Conrad Jung; er wurde am 19.November 1612 in
Rothenburg ob der Tauber geboren; er verstarb in Hoheim bei Kitzingen am 16.
September 1691. Der Beruf des Kartographen wurde ihm sozusagen in die Wiege
gelegt; sein aus Feuchtwangen gebürtiger Vater Johann Georg Jung (1583 – nach
1641), der 1607 das Bürgerrecht in Rothenburg erwarb, war von Beruf Maler und
Glasschneider und betätigte sich mit Erfolg ebenfalls als Kartograph, dessen
guter Ruf weit über Franken hinaus reichte. Zeugnis des gemeinsamen Wirkens von
Vater und Sohn ist eine 1641 vollendete Straßenkarte für das Gebiet des
Deutschen Reiches unter dem Titel „Totivs Germaniae novvm Intinerarivm“, in
Übersetzung: „Neue Straßenkarte des ganzen Deutschland“. Dem kartographischen
Lebenswerk des Georg Conrad Jung lassen sich etwa 30 Kartenwerke zuordnen, die
vorwiegend Franken und Hohenlohe betreffen.
Über sein Vorgehen bei der Erstellung der Franconiae mappa locupletissima äußert
sich der Verfasser in einem Vorwort – „Vortrag“ – , in dem er darauf hinweist,
dass er „aus denen besten und neuesten Geographis“ geschöpft habe, deren Karten
freilich durch ihn, seinen Bedürfnissen entsprechend, „regulirt“ worden seien.
Er räumt dabei ein, dass sich ein besseres Ergebnis hätte erreichen lassen, wenn
er „das gantze Land umher beritten und selbsten den Augenschein wegen der
Situation der Oerter“ genommen hätte. Dass das von Jung gewählte Verfahren zu
großen Irrtümern führte, lässt sich aus den abgebildeten beiden Teilkarten
unschwer erkennen und wird uns noch beschäftigen. Er nahm bewusst auch Abstand
von der Eintragung politischer Grenzen, damit – angesichts der vielfältigen
Grenzstreitigkeiten und gegenseitigen ungeklärten Ansprüchen der Zeit nur zu
verständlich – keiner Herrschaft in ihrer „Jurisdiction zu nahe getretten
würde“. So findet sich in der hier reproduzierten Tafel XXXIII mit der
Eintragung „Palatinatus Rheni“ nur ein nicht näher eingegrenzter Hinweis auf das
Territorium der Kurpfalz.
Straßen finden keine Berücksichtigung, abgesehen von den im ausführlichen Titel
erwähnten, von Nürnberg ausgehenden Postrouten, die aber nicht durch das Gebiet
der beiden hier vorgestellten Teilkarten oder Tafeln führten.
Problemzonen bilden die Überlappungen der Teilkarten. Dies wird sichtbar in den
Tafeln XXXIII und XLI etwa am Beispiel von Leutershausen, das auf beiden
Teilkarten erscheint. Einmal ist der Ort mit dem Kennzeichen einer Stadt (drei
Turmspitzen), das andere Mal mit dem Kennzeichen eines Dorfes (eine Turmspitze)
versehen. Einmal liegt es an einem nicht näher bezeichneten Wasserlauf, der wohl
als der durch Schriesheim (in der Karte „Schiesheim“) fließende Kanzelbach zu
verstehen ist; das als „Cantzelbach“ verzeichnete Dorf ist nicht existent,
vielleicht liegt eine Verwechslung mit Kunzenbach vor, das dann aber falsch
lokalisiert wäre. Dies ganz abgesehen davon, dass der in Frage kommende
Wasserlauf des Kanzelbachs in Ladenburg den Neckar erreicht und nicht, wie in
Karte XLI dargestellt, gegenüber Frankenthal in den Rhein mündet. Auf Karte
XXXIII liegt Leutershausen dagegen zutreffend fernab eines der Kartierung
würdigen Gewässers.
Größere Wasserläufe, wie in unseren Karten Rhein und Neckar, sind mit einer
Doppellinie und dazwischen befindlichen Schraffuren gekennzeichnet. Doppellinie
und Schraffuren sind da unterbrochen, wo eine Brücke über den Fluss führt; dafür
steht das Beispiel der Heidelberger Neckarbrücke in Tafel XLI. Gebirge, wie der
Odenwald, sind mit den herkömmlichen Bergsymbolen dargestellt.
Wälder, wie sie sich in Ebenen finden, sind durch die Darstellung von Laubbäumen
gekennzeichnet, hier finden wir auf Tafel XLI die Lußhart („Lussart“), die der
Kartograph freilich in dem Kleinen Odenwald verlegt, wo sie doch südlich von
Hockenheim ihren Platz zu finden hätte.
Eine zeithistorisch bemerkenswerte Aktualität bezieht sich auf das von den
Franzosen im Pfälzer Erbfolgekrieg 1689 in Schutt und Asche gelegten Speyer: wir
sehen die Flammen aus der Stadtsignatur heraus züngeln!
Das Hauptthema der Karte XXXIII ist, wenn wir so wollen, der Lauf der Weschnitz
von ihrem Ursprung bis zur Mündung in den Rhein. Leider sind auf diesem Blatt
die Wasserläufe nicht mit ihren Namen bezeichnet. Darüber hinaus weist diese
Karte so viele Irrtümer und Unrichtigkeiten auf, dass wir hier darauf verzichten
müssen, sie vollständig zu benennen. Der Betrachter der Karte ist also
eingeladen, selbst eine zuverlässige Karte von Odenwald und Bergstraße zum
Vergleich heranzuziehen, etwa die Karte des Odenwaldklubs. Wie gesagt ist die
Weschnitz das beherrschende Thema der Karte XXXIII. Sie zieht sich in der Mitte
des Kartenbildes von Ost nach West, wobei ihr starkes Abknicken nach Nord-Westen
nach ihrem Austritt aus dem Gebirge bei Weinheim hier nicht zur Darstellung
kommt. Immerhin ist die Einmündung des Grundelbachs, der sich aus der Nähe von
„Flockenbach“ herbeischlängelt, in die Weschnitz in Weinheim zutreffend
eingetragen. Zutreffend ist die Abfolge der an der Weschnitz gelegenen Orte und
Siedlungsplätze Weschnitz, vielleicht auch Leberbach („Eberberg“), Fürth,
Fahrenbach („Farnbach“), Rimbach, Mörlenbach, Birkenau und Weinheim. Reisen („Reussen“)
ist weit von seiner richtigen Stelle weggerückt. Dafür holt der Kartograph noch
eine Reihe weiterer Orte aus dem Odenwälder Zusammenhang herbei und platziert
sie kühn an die Weschnitz: „Guntersbach“ (Güttersbach?), Hiltersklingen,
Falkengesäß, Finkenbach, Igelsbach und Gammelsbach. Kurzerhand wird auch noch
Viernheim („Wirnheim“) an den Lauf der Weschnitz oberhalb Weinheims verlegt.
Völlig aus der Luft gegriffen ist der Lauf eines Gewässers, das von Zell im
Norden nach Süden zur Weschnitz fließt. Käfertal („Kewerdal“), Sandhofen und
Scharhof finden sich da, wo wir eigentlich Gernsheim, Stockstadt und vielleicht
Pfungstadt erwarten könnten.
Was den Verlauf der Bergstraße angeht, so ist der räumliche Zusammenhang von
Leutershausen und den Sachsenorten halbwegs zutreffend wiedergegeben. Das
westlich davon liegende Wallstadt ist gleich zweimal eingetragen („Walstat“,
„Waldstat“). Nördlich von Weinheim wird die Situation wieder problematisch. Der
Rand des Odenwaldes rückt nahe zum Rhein, Laudenbach („Lautenbach“), Lampertheim
und Neuschloss, Hemsbach („Hanspach“) und Zell geraten so in den Odenwald. Die
bedeutenderen Orte Heppenheim und Bensheim fehlen ebenso wie übrigens auch
Lindenfels. Dafür wird Kirschhausen nach Osten verlegt.
Werfen wir einen Blick in den Odenwald um Waldmichelbach, so entdecken wir die
an sich zutreffende Abfolge von Olfen, Waldmichelbach, den beiden Schönmattenwag
und Heddesbach. Hirschhorn an der Einmündung des Laxbaches in den Neckar suchen
wir wieder vergeblich. Die Lokalisierung von Hebsthal mag dahingehen, der
Sensbach, an dem es liegt, mündet freilich nicht in den Laxbach, sondern in die
Itter, deren Mündung in den Neckar zwar angedeutet scheint, es fehlt aber das an
dieser Mündung gelegene Eberbach.
In einem ziemlichen Durcheinander befindet sich schließlich der Kartenteil
nördlich von Rimbach und Fürth. Angedeutet ist der Lauf der Gersprenz zwischen
den viel zu weit auseinander liegenden Klein und Groß-Gumpen. Zwischen den
beiden Gumpen und Brensbach („Prenzbach“) fehlen beispielsweise Reichelsheim,
Pfaffen-Beerfurth und Fränkisch-Crumbach. Ober- und Unter-Ostern sind aus ihrem
räumlichen Zusammenhang gerissen, wie auch Ober- und Unter-Mossau und Hüttenthal.
Rätsel wirft das am oberen Kartenrand aufragende, als Burg oder Festung
gekennzeichnete „Reilbach“ auf. Von der Lokalisierung her ist an dieser Stelle
Schloss Lichtenberg zu erwarten, in dessen Umgebung freilich weder Erzbach („Ertzbach“)
noch Mittershausen („Muttershausen“) zu suchen sind.
Unter den Absonderlichkeiten, wie sie die Karte XLI bietet, und soweit deren
nicht schon gedacht ist, sei das zweimalige Vorkommen von Wiesloch („Wiseloch“)
erwähnt, das zudem, ebenso wie Leimen und Nußloch, an die Elsenz („Elsass“)verlegt
wird. Dort, wo die Elsenz in den Neckar mündet, finden wir Schlierbach
eingetragen, während das dort zu suchende Neckargemünd aufwärts an der Elsenz
seinen Platz findet. Die Zuordnung von Dilsberg und Neckarsteinach lässt sich
einigermaßen nachvollziehen, nicht aber die Lokalisierung von Hirschhorn
halbwegs zwischen Neckarsteinach und Kloster Neuburg („Cl. Neuburg“), Lobenfeld,
Helmstadt und vor allem Gauangelloch („Angeloch“). Daneben geraten ist auch die
Situation an der Bergstraße nördlich von Neuenheim. Handschuhsheim („Heidschbuscheim“)
und der Heiligenberg wandern samt einem Teil des Odenwaldes hinaus Richtung
Rhein. Am oberen Kartenrand findet sich, halbwegs zutreffend, das winzige
Ritschweier („Rutschweyer“); unerklärlich bleibt die Nennung eines Ortes „Breienstein“;
ob die Burg Freienstein oberhalb Gammelsbach damit gemeint sein soll, lässt sich
nur vermuten.
Auch linksrheinisch ist einiges durcheinander geraten: der Speyerbach, der seit
der dort 1703 geschlagenen Schlacht Bekanntheit besitzt ist zwar in seinen Lauf
von Dudenhofen bis Speyer zutreffend eingezeichnet, sein Name „Speierbach fl.“
ist aber dem durch Schifferstadt fließenden Rehbach, einem Abzweig des
Speyerbaches, beigelegt, an dem auch die Rehhütte („Rhehutten“) zu suchen ist.
Geinsheim und Rheingönheim („Reyngheinheim“) sind ebenfalls unzutreffend
lokalisiert, statt „Muttersheim“ und „Orgersheim“ ist natürlich Mutterstadt und
Oggersheim zu lesen.
Soweit die Bemerkungen zu den beiden Tafeln, die durchaus als Kuriosa aus der
Geschichte der Kartographie bezeichnet werden können. Wer sie näher betrachten
möchte, kann das im Museum der Stadt Weinheim tun, das die Blätter seit kurzem
besitzt.
Rainer Gutjahr
[1]
Hierzu und zur Person des Georg Conrad Jung vgl. Wilhelm Bonacker,
Grundriss der fränkischen Kartographie des 16. und 17. Jahrhunderts, in:
Mainfränkische Hefte, 33, 1959, insbes. S. 32-77. Ders.: Georg Conrad
Jung and his Manuscript Map of Franconia, in: Imago Mundi, 14, 1959, S.
113 ff. Ferner: Peter Fleischmann: Die zweite Landesaufnahme des
Markgrafentums Brandenburg-Ansbach durch Georg Conrad Jung (1612-1691),
in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken, 95, 1990-1991,
S. 155-178.
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