Friedhof Großsachsen

Ein Bericht von Rainer Gutjahr

Wie bereits angedeutet, brachte das vordringende Christentum eine neue Begräbnissitte in die bislang heidnische Umgebung mit: die Christen legten den Toten keine Beigaben mit ins Grab und bestatteten ihre Verstorbenen bei ihren Kirchen, die somit vielfach zum regelrechten Mittelpunkt der Fried- oder Kirchhöfe wurden. Gerade in Leutershausen zeugt die Lage von (evangelischer) Kirche und Friedhof bis heute von dieser Begräbnissitte, die sich auch an der Bergstraße nach der Einbeziehung dieses Raumes in das Merowingerreich allmählich durchgesetzt haben muss. In Großsachen ist der ursprüngliche Zusammenhang von Kirche und Friedhof verwischt, lässt sich aber aus der schriftlichen Überlieferung wieder herstellen.

Der erste Kirchhof der Sachsenorte dürfte bei der längst verschwundenen Kirche des heiligen Jakobus d. Ä. auf der Höhe über dem Hohensachsener Ortskern gesucht werden, wo noch Ummauerung und Tore auf den typischen Kirchhof hinweisen.

Mit der Schenkung des Grafen Liuther in Hausen kam 877 auch eine Kirche in den Besitz des Klosters Lorsch. Es wird als wahrscheinlich angenommen, dass dies die spätere Leutershausener Pfarrkirche war, an die sich der entsprechende, ebenfalls von einer Mauer umwehrte Friedhof anschloss. Es lässt sich freilich allenfalls vermuten, nicht aber mit Bestimmtheit sagen, dass sich auch schon bei der „basilica“ des Grafen Liuther ein Kirchhof befand.

Ein erster Hinweis auf den Großachsener Friedhof findet sich vielleicht im Zentweistum der „zent zu Sassenheim“ vom 27. November 1430. Hier heißt es, dass das Zentgericht „by der kirchen Marie Magdalen“ tage. Tatsächlich dienten die Friedhöfe im Mittelalter vielfach als Tagungsort der sich unter freiem Himmel versammelnden Gerichte. Einen ersten urkundlich gesicherten Hinweis auf den Großsachsener Friedhof finden wir in einem Berain von 1475, demzufolge ein Haus und Hof, gelegen „an Sant Margen Magdalen Kirchoff“,  5 Viertel Wein an „Sant Margen Magdalen“ zinste. Den nächsten sicheren Beleg für den Friedhof zu Großsachsen liefert uns das „Wormser Synodale“ von 1496. In diesem Visitationsbericht über die kirchlichen Zustände im Bistum Worms werden die Friedhofsmauer  - „murus coemiterii“- und ein Beinhaus – „ossarium“- erwähnt. Der Zugang zu Friedhof war schlecht verwahrt oder die Mauer in vernachlässigtem Zustand, heißt es doch, dass die Schweine in den Kapellenfriedhof eindringen würden – „porci intrant coemiterium capellae - Anscheinend genossen die Schweine innerhalb des wahrscheinlich mit einem Zaun oder einer lebenden Hecke – Hag - umgebenen Ortsetters gewisse Freiheiten.

Die mit der Reformation eingetretene Glaubensspaltung führte vielerorts zur Einrichtung gesonderter Friedhöfe für die jeweiligen Konfessionen. Nicht so in Großsachsen und Leutershausen. Hier bestatteten die katholischen und lutherischen Minderheiten, die sich im Laufe der Entwicklung in Kurpfalz herausgebildet hatten, ihre Toten auf dem gleichen Friedhof wie die reformierte Mehrheit, wenn auch gegebenenfalls in gesonderten Grabfeldern. Dass es unter solchen Verhältnissen ab und zu  Spannungen zwischen den Konfessionen wegen der gemeinsamen Friedhöfe gab, lässt sich mit Sicherheit annehmen. So erreichte auf dem Instanzenweg über das Oberamt Heidelberg und die Zent Schriesheim im Februar 1768 ein „special gnädigster Befehl“ des Kurfürsten auch die Gemeinde Großsachsen. Dem Befehl zufolge war zu berichten „über daß Recht und Gebrauch in Errichtung steinerner Creutzer über die Grabstätte auff denen zwischen Catholicis und Reformatis oder Lutheranis gemeinschafftlichen Kürchhöffen“.   In der Antwort des Großsachsener Schultheißen Matthias Brunner vom 24. Februar 1768 heißt es: „Bey hiesiger Gemeindt befindet sich ein gemeinschafftlicher Kirchhoff zwischen denen Catholicis, Reformatis et Lutheranis; es ist aber kein Recht in Errichtung steinernen Creutzen, sondern nur der Gebrauch von denen Catholicis eingeführet, daß derjenige, der die Mittel besitzet, ein von Holtz oder Stein gemachtes Creutz über die Grabstatt errichten darff, auff (irrtümlich für: auch) auff dem Kirchhoff, wo thunlich, ein steinernes Creutzen auffzurichten.“  

Ein neuer Friedhof muss ungefähr um das Jahr 1700 angelegt worden sein, der sich auf der Höhe des heutigen Pfarrhauses von der Kirchgasse bis zum Haagackerweg erstreckte. Er wird fassbar durch einen Eintrag im Weinbedebuch von 1716, wo ein „Wingert bey der Kirchen, … geforcht unten der New Kirchhoff“ genannt wird.  Die Erweiterung der Kirche  nach dem Plan von F. Born um das Jahr 1725 beeinträchtigte den für den alten Kirchhof zur Verfügung stehenden Raum in bedeutende Maße. Diese Tatsache, verbunden mit dem im 18. Jahrhundert zu verzeichnenden Anwachsen der Bevölkerung, hätte die Anlage eines neuen Friedhofs ohnehin erforderlich gemacht. Wahrscheinlich bezog sich die oben zitierte Äußerung des Schultheißen Brunner bereits auf diesen „neuen“ Friedhof, über dessen Entstehungszeit man schon im darauf folgenden Jahrhundert nichts mehr Genaues wusste.  1865 verlangte das Bezirksamt Auskunft darüber, weshalb die Anlage dieses neuen Friedhofes „an einem in sanitätspolizeilicher Beziehung so wenig geeigneten Platze stattgefunden“ habe. Gemeinde und evangelisches Pfarramt konnten dem Bezirksamt die gewünschte Auskunft nicht geben, da sich in den entsprechenden Akten, wie auch in der Registratur des Bezirksamtes, dazu nichts fand. Man griff deshalb auf die altehrwürdige Methode zurück, betagte Gemeindebürger darüber zu befragen. Gehört wurden Altbürgermeister Kilthau, Konrad Siegmund und Georg Plaicher; sie erklärten, der jetzige Friedhof bestünde, so lange sie sich erinnern könnten; zwar seien noch die Angehörigen einzelner Familien bis 1813 oder 1816 auf dem alten Friedhof begraben worden, „warum, ist uns unbekannt, jedenfalls scheint uns dies ein altes Herkommen zu sein, oder diese Familien hatten gewiße Vorrechte“. Auch wussten sie nichts dazu anzugeben, weshalb der Friedhof an die fragliche Stelle verlegt worden war. Aus den Angaben des Pfarrers konnte noch ergänzt werden, dass insbesondere im Kindsbett verstorbene Wöchnerinnen bis ins Jahr 1816 auf dem alten Friedhof ihre letzte Ruhe fanden.

Gleichzeitig mit der Mängelrüge hinsichtlich der Lage des neuen Friedhofs hatte Oberamtmann von Teuffel mit dem ihm eigenen forschen Tonfall der Gemeinde Großsachsen aufgegeben, einen geeigneten Platz  „zur Herstellung eines neuen Friedhofs zu ermitteln“. Den Vorschriften gemäß hatte dieser Platz auf der „Nord- oder Ostseite des Ortes und in größerer Entfernung zu den Wohnhäusern“ zu liegen. Der Gemeinderat widersetzte sich diesem Ansinnen, indem er zunächst auf die hohen Kosten hinwies, die der Ankauf eines entsprechenden Geländes und die Herstellung einer Friedhofsmauer verursachen würden. Er sprach sich vielmehr für eine Erweiterung des bestehenden Friedhofs aus; der dort anstehende Sandboden erlaube es, die Gräber so tief  anzulegen, „daß auch nicht die geringste Ausdünstung zu befürchten wäre.“ Auch seien bisher von den „Nachbarsleuten“ keine Klagen über den bestehenden Friedhof laut geworden. Die in Aussicht genommene Erweiterung des Friedhofs gewährleiste, „daß wenigstens 40-50 Jahren [!] die Gräber nicht müßten umgegraben werden. Eine Neuanlage widerspreche zudem auch dem Wunsch der Gemeinde, wollten doch die „Söhne und Töchter“ einstmals da ruhen, „wo ihre Eltern und Großeltern begraben liegen.“ Schließlich sei es Brauch, bei den „großen Leichen“ immer einen Gottesdienst abzuhalten, somit sei auch „diese Lage des Friedhofs“ in der Nähe der Kirche „für die Gemeinde auch die bequemste“.

Willkommene Schützenhilfe erhielt der Gemeinderat durch ein Gutachten des Bezirksarztes Wilkens vom Januar 1866. Dieser stellte durch eigenen Augenschein fest, dass der Friedhof in seiner jetzigen Ausdehnung der Einwohnerzahl nicht entspreche, somit erweitert oder gänzlich verlegt werden müsse. Die vom Gesetz verlangte Anlage des Friedhofs auf der Nord- oder Nordostseite des Ortes lasse sich aber im Falle Großsachsens nicht durchführen, „da aus diesen Richtungen ausschließlich sämmtliche Trinkquellen kommen, welche die Brunnen des Ortes speisen“. Das von der Gemeinde bereits angekaufte Gelände zur Erweiterung des Friedhofs weise dagegen Sandboden auf, der noch in 7 Fuß Tiefe wasserfrei sei; das Erweiterungsgelände sei auch eben so groß wie der bisherige Friedhof, womit eine Wiederöffnung der Gräber zur Neubelegung erst nach 30 bis 35 Jahren notwendig werde. Aufgrund der Lage des Ortes zum Friedhof würde auch nur ein kleiner Teil der Wohnbebauung  durch von Süden kommende und über den Friedhof streichende Winde berührt; auch in dieser Beziehung gehe vom Friedhof also keine Gefahr für die Gesundheit der Ortseinwohner aus.

Aufgrund dieses Gutachtens gestattete das Bezirksamt mit Verfügung vom 6. Januar 1866 der Gemeinde Großsachsen die geplante Erweiterung des Friedhofs um ein im Osten angrenzendes Gelände. Einer Mitteilung des Gemeinderates an das Bezirksamt vom 8. Januar 1866 lässt sich entnehmen, dass man damit rechnete, das Erweiterungsgelände, das bisher als Sandgrube diente, in spätestens zwei Jahren „vollständig und dem Friedhof gleich geebnet“ zu haben, um dann mit der Erweiterung zu beginnen. Tastsächlich ließ diese Erweiterung dann aber noch etwa 10 Jahre auf sich warten.

1838 hatten sich Schwierigkeiten ergeben wegen der „Errichtung eines Denkmals auf dem Friedhof für den verstorbenen Sohn des ebenfalls mit Tod abgegangenen ehemaligen Bürgermeisters Alberth zu Großsachsen“. Der dabei entstandene Schriftwechsel zwischen Bezirksamt und Bürgermeisteramt bzw. Gemeinderat überliefert zunächst die „Bestimmungen“, die die Kirchenvorstände der „beiderseitigen christlichen Confessionen“ 1837 aufgestellt hatten, um das Errichten von „Denkmälern“ auf dem „Gottesacker zu Großsachsen“ zu regeln. Diesen Bestimmungen zufolge mussten die „alten Grabsteine“ vom Grab hinweg genommen und an der Kirchhofmauer befestigt werden, wenn die Grabstelle für ein neues Grab „erforderlich“ war. In diesem Fall waren auch die hölzernen Einfassungen zu entfernen. „Neue Denkmäler von Stein oder Holz in Form eines Grabsteins“ durften „nach gemachter Anzeige bey den kirchlichen Aufsichtsbehörden“ nur noch an der Kirchhofsmauer „ohne Sockel, um den Raum nicht zu beengen“, aufgestellt werden. Für die Genehmigung waren 5 Gulden in die Gemeindekasse und je 5 Gulden in die Almosen „der beiden christlichen Kirchen“ zu entrichten. Ferner heißt es: „Das Denkmal, das einem Verstorbenen auf die oben bezeichnete Weise gesetzt wird, muß ein in Form und Inschrift würdiges, dem religiösen Sinne entsprechendes, Erbauung beförderndes und nicht blos äußere Auszeichnung bezweckendes Monument seyn.“ Schließlich sollten auch „die Bäume auf Gräbern, sobald sie hinterlich [!] werden und ihr Fortbestehen den Raum beengen würde, umgehauen werden.“ 

Aus der Begründung für diese „Bestimmungen“ erfahren wir, dass sich auf dem Friedhof zwar nur ein einziger [!] „alter Grabstein“ befand, der die „Ruhestätte der Ehefrau des Herrn Pfarrers und Kirchenraths Helfenstein, Schwiegermutter des ehemaligen Herrn Pfarrers Schmitthenner, sowie die (!) Schwester des zuerst genannten bezeichnet“. Beide Gräber waren zudem mit einer hölzernen Einfassung umgeben. „Wird dieser Gebrauch aber eingeführt bei großen Familien des Orts, so ist nicht abzusehen, ob nicht in 20-30 Jahren der Gottesacker erweitert werden müßte.“ Somit seien die „Bestimmungen“ aus der Verantwortung entstanden, die Gemeinde vor den Kosten einer Friedhofserweiterung zu schützen.

Als Bürgerausschuss und Gemeinderat von der Existenz der „Bestimmungen“ erfuhren, drückten sie zunächst ihr Missfallen darüber aus, an der Abfassung nicht beteiligt worden zu sein: „Der hiesige Friedhof ist Eigenthum der politischen Gemeinde; dieselbe zahlt den Grundzins in die Großherzogliche Kellerei Schriesheim, sie erbaute denselben auf ihre Kosten, unterhält denselben und muß sich gefallen lassen, früher oder später einen neuen Friedhof anzuschaffen.“ Der „Alberthsche Grabstein“ könne übrigens mit demselben Recht wie die früher errichteten aufgestellt werden, da vorher nichts „darüber ausgemacht“ worden sei. Wenn aber darauf bestanden werden sollte, von den Alberthschen Erben 15 Gulden an Gebühren zu verlangen, so müsse man dieses Opfer auch für die früher errichteten Grabdenkmäler nach fordern. Auch sei die Befürchtung abwegig, dass der hiesige Friedhof durch zu viele Grabsteine beengt werden könnte, „wenn man die Sparsamkeit der Großsachsener, die wenigen, eigentlich reichen Familien und dem (!) Umstand“ bedenke, dass „vielleicht seit 100 und mehr Jahren nur 2 Grabsteine auf dem hiesigen Gottesacker errichtet worden sind.“ Dennoch traten Bürgerausschuss und Gemeinderat den Bestimmungen der Kirchengemeinderäte bei. Die Alberthschen Erben, deren Vorhaben die Kontroverse ausgelöst hatte, wurden tatsächlich mit einer Verfügung des Bezirksamtes vom 13. Juni 1838 von der Entrichtung der Gebühren befreit, „da die von der Aufsichtsbehörde errichteten Statuten zur Zeit noch nicht existierten, als der fragliche Grabstein gesetzt wurde“; damit hatte sich das Bezirksamt die Ansicht von Bürgerausschuss und Gemeinderat zu eigen gemacht.  

1874 nahm Gemeinde die 1866 genehmigte Friedhofserweiterung in Angriff. Das Bezirksamt versuchte, die Gemeinde von ihrem Plan abzubringen und drang erneut auf die Neuanlage eines auf längere Sicht ausreichend großen Friedhofs in größerer Entfernung von der Wohnbebauung. Gemeinderat und Bürgerausschuss lehnten dieses Ansinnen einstimmig ab. Man konnte darauf verweisen, dass die Bevölkerungszahl zwischen 1865 und 1871 leicht abgenommen hatte, insbesondere seien „arme Familien von hier weg in Fabrikstädte“ gezogen seien. Außerdem hatte die Gemeinde zusätzliches Gelände erworben, womit die Erweiterung bergaufwärts entlang des Haagackerweges vorgenommen werden konnte und nicht mehr, wie ursprünglich geplant, im Anschluss an den alten Friedhofsteil auf einem Streifen zwischen Kirchgasse und Haagackerweg. Dadurch und weil nach erfolgter Vergrößerung der bisherige Friedhof „außer Gebrauch“ gesetzt werde, blieben die Gräber weiter von der Wohnbebauung entfernt, als dies nach den vorigen Zuständen und  Planungen der Fall war. Schließlich sei dank des zusätzlich erworbenen Geländes jederzeit eine nochmalige Erweiterung möglich, falls die Bevölkerungsentwicklung dies notwendig mache.

Ende des Jahres 1876 waren die Arbeiten zur Erweiterung soweit abgeschlossen, dass das Bürgermeisteramt die beiden Pfarrer und den Totengräber davon in Kenntnis setzen konnte, dass mit Jahresbeginn 1877 keine Beisetzungen auf dem bisherigen, dem „alten“ Friedhof mehr stattfinden dürften. Die Friedhofserweiterung fiel zeitlich zusammen mit dem Höhepunkt des so genannten Kulturkampfes, der im Reich und vor allem auch im Großherzogtum Baden den Staat und die katholische Kirche in scharfe Gegnerschaft geführt hatte, ausgehend von dem Bestreben der Regierungen, althergebrachte Rechte der Kirche zu beschneiden. Zwischen den durch Reichskanzler Bismarck zu „Reichsfeinden“ erklärten Katholiken und den Protestanten vertiefte sich in diesen Jahren die ohnehin bestehenden Gräben erneut. Ein Zeugnis hierfür findet sich in einem Schriftwechsel des Großsachsener Gemeinderates mit dem für die Großsachsener Katholiken zuständigen Pfarrers Lammert zu Hohensachsen. Pfarrer Lammert kündigte für Sonntag, den 7. Januar 1877 die Beisetzung des verstorbenen Nikolaus Clermond „nach dem evangelischen Nachmittagsgottesdienst – wenn derselbe nicht zu lange dauert- „ an. Ehe aber mit den „Leichenceremonien“ begonnen werden könne, müsse zuvor der neue Friedhof geweiht werden. Dazu werde „nach Vorschrift ein hölzernes Kreuz mitten auf dem Kirchhofe aufgestellt.“ „Zur Beruhigung derjenigen, die etwas in Betreff dieser Aufstellung zu bemerken hätten“, teilte Pfarrer Lammert dem „verehrlichen Bürgermeisteramte ergebenst“ mit, dass das Kreuz „sogleich nach der Einweihung wieder weggenommen und nach der Beerdigung des Clermond auf dem Grabe desselben seinen Platz – wie viele auf anderen Gräbern – findet.“ Der Gemeinderat hatte nichts einzuwenden, richtete aber am 12. Januar ein erneutes Scheiben an Pfarrer Lammert, in welchem dagegen protestiert wurde, dass dem Anschein nach das „zur Einweihung des Kirchhofs verwandte Kreuz auf der Mitte des Kirchhofs am Ende des Weges aufgestellt werden“ solle, „und ist bereits ein Sockelstein aufgestellt.“ Dies stehe im Widerspruch zu Lammerts Mitteilung, weshalb man ihn ersuche, seinem Versprechen nachzukommen, und das Kreuz nebst Sockelstein von seinem jetzigen Standort zu entfernen.“ Damit hatte die protestantische Mehrheit klargestellt, dass ein Zuschaustellen katholischer Frömmigkeit in Großsachsen unerwünscht war.

 

Leichen-, Begräbnis- und Friedhofsordnung von 1887

       

15 Jahre später musste sich der Großsachsener Gemeinderat erneut mit dem Friedhofsproblem befassen. Ein Ortstermin, den der Bezirksarzt, Medizinalrat Schellenberger, Anfang August 1892 durchführte, ergab, dass der Friedhof unter Ausnutzung auch der letzten Raumreserve Begräbnisplätze nur noch für ein Jahr bot. Der Gemeinderat, der vom Bezirksamt zu einer umgehenden Lösung der Frage gedrängt wurde, betrieb zunächst die Erweiterung des bestehenden „neuen“ Friedhofs durch Hinzunahme eines Teils des gemeindeeigenen Baumgrundstücks, das sich in Richtung Kirchgasse an den Friedhof anschloss. Das Bezirksamt versagte diesem Vorhaben seine Genehmigung, da hierdurch der Friedhof auf 30 Meter an die Wohnbebauung herangerückt wäre; der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand aber betrug 100 Meter. Aus dem gleichen Grund verbot sich eine Neubelegung des alten Friedhofsteils. Somit blieb nur die vom Bezirksamt schon 1874 vorgeschlagene Lösung: die Neuanlage eines Friedhofs in größerer Entfernung zum Ort.

Zu diesem Zweck beschloss der Gemeinderat am 20. Januar 1893 den Ankauf eines Geländes von etwa 37 ar im Gewann Sandgrube, wo der Quadratmeter Boden zu einem Preis von weniger als zwei Mark zu haben war.  Die Maurer-, Zimmer-, Glaser- und Schlosserarbeiten zur Herstellung der Leichenhalle, der Wagenhalle, der Einfriedigung sowie weitere Aufträge wurden im Laufe des Jahres 1893 vergeben. Insgesamt entstanden Kosten von 5.688 Mark, während der ursprüngliche Anschlag bei 5.000 Mark gelegen hatte. Das notwendige Geld hierzu beschaffte sich die Gemeinde im Wege eines Darlehens, das bei Georg Peter Schuhmann II. aufgenommen wurde. Im Februar 1894 konnte unter Hinzuziehung des Bezirksarztes Schellenberger mit der Einteilung der Gräberfelder begonnen werden.

Ein Jahr später beschloss der Gemeinderat eine „Beerdigungsordnung“, in der es hieß, dass grundsätzlich alle Ortseinwohner bis zu einem Alter von 60 Jahren verpflichtet sein sollten, bei Beerdigungen den Sarg aus dem Sterbehaus zum Friedhof verbringen zu helfen. Die vier oder auch sechs Träger waren zur Hälfte von „oberhalb“, zur Hälfte von „unterhalb des Sterbehauses“ zu bestellen. Unter Bezug auf ein entsprechendes Gutachten des Bezirksarztes sprach das Bezirksamt Bedenken gegen diese Ordnung aus. Der Transport von Leichen, „besonders solcher, die an ansteckenden Krankheiten gestorben“ seien, sei für die Träger „nicht ohne Gefahr“, es sollten deshalb stets Leichenwägen benutzt werden. Ein e Entschließung des Bezirksrates vom 22. Mai 1895 versagte der Großsachsener Beerdigungsordnung endgültig die notwendige „Staatsgenehmigung“. Die althergebrachten Gewohnheiten einer bäuerlichen Gesellschaft passten nicht mehr in die Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert. So führte der Bezirksrat bei seiner Ablehnung neben den genannten gesundheitspolizeilichen Bedenken als ein weiteres Argument ins Feld, dass in Großsachsen zahlreiche Arbeiter wohnhaft seien, die in den Fabriken der benachbarten Stadt Weinheim ihr Brot verdienten. „Diese Personen sind auf ihren täglichen Verdienst angewiesen und würden es schwer empfinden, wenn ihnen durch die Teilnahme an einer Beerdigung oder durch die Bestellung eines Stellvertreters ein namhafter Teil ihres Tagesverdienstes entgehen würde.“ Das Interesse eines „geordneten Begräbniswesens“ verlange vielmehr den „Transport der Leichen … durch bezahlte Träger.“ Dies hatte Bezirksarzt Schellenberger in seinem Gutachten schon angeregt und dabei die Meinung vertreten, dass sich wohl in den Nachbargemeinden Personen finden ließen, die den bezahlten Trägerdienst übernehmen würden, sofern sich in Großsachsen dazu niemand bereit erklären sollte.

1949 erwarb die Gemeinde ein kleineres Grundstück im Gewann Sandgrube / Vorderer Haagacker zur Erweiterung des Friedhofs. Eine weitere Vergrößerung des Friedhofs in Richtung Süden wurde 1955 notwendig. Die „Größe des bisherigen Friedhofs“ sei aufgrund der „Bevölkerungszunahme in kurzer Zeit nicht mehr ausreichend“;  Die Gemeinde erwarb dazu etwa 26 ar im Gewann Sandgrube für den Kaufpreis von 12.000 Mark, die durch Darlehensaufnahme finanziert wurden; zur Rechtfertigung wurde bemerkt, dass der Kauf sofort habe getätigt werden müssen, da bei einem späteren Erwerb ein derart günstiger Preis nicht mehr möglich gewesen wäre.

Rainer Gutjahr