Die evangelische Kirche: Wahrzeichen des Ortes

Ein Bericht von Rainer Gutjahr

„Auch hochedelgebohrne, hochedle, gestrenge, hochwürdige und hochgelehrte, insonders hochgeehrte Herrn sollen wir gehorsamst ohnverhalten, was Maßen die Kirch zu Großensachsen für die daselbst erscheinende große Versammlung der Reformierten – wann auch schon die Kirch zu Leutershausen uns privative verbleiben sollte - allzu klein und dahero höchst nötig, dass dieselbe in etwas erweitert werde. Welchem nach wir einen hochlöblichen Kirchenrat gehorsamst ersuchen, die Gütigkeit zu haben und das Werk durch einen Bauverständigen besichtigen und einen Überschlag darüber verfertigen zu lassen, zumalen die Kosten, dem Ansatz nach, nicht sonderlich hoch sich belaufen werden. Im Übrigen, weilen die Katholischen bei der den 14. dieses beschehenen Evacuation obiger Kirchen nicht allein das von ihnen darein gebrachte Holzwerk hinweggenommen, sondern auch ein Schloss, welches sie vormals an die Sakristei schlagen lassen, wiederum abgebrochen, als haben bei einem hochlöblichem Kirchenrat wir gehorsamst anfragen sollen, ob uns nicht ebenmäßig und zwar aus gleichem Recht erlaubt seie, diejenigen eigentümlichen Stühle, welche wir auf unsere Kosten in der Kirch zu Hohensachsen machen lassen, abzubrechen und in anderen zu unserem Gottesdienst gewidmeten Orten zu gebrauchen. Erwartend eine hochgeneigte Resolution verbleiben wir Euer Excellenz und unserer hochgeehrten Herren gehorsamste sämtliche Reformierte in Leutershausen, Großensachsen und Lützelsachsen. Heidelberg, den 18. Mai 1707.“

Diese Bittschrift an den reformierten Kurpfälzer Kirchenrat führt uns mitten hinein in die verwickelten kirchlichen Verhältnisse Großsachsens. Ihre heutige äußere Erscheinung verdankt die evangelische Kirche zu Großsachsen den Baumaßnahmen der Jahre von 1724/25 und 1760/61. Ihr Vorgängerbau, die der Maria Magdalena geweihte Kirche, wird erstmals zum Jahr 1430 erwähnt. Von ihr kennen wir immerhin noch den Grundriss, der eine sogenannte Chorturmkirche erschließen lässt, was wiederum bedeutet, dass die 1724 mit Ausnahme des Turmes abgerissene Kirche in die romanische Epoche zu datieren ist. Um diese Kirche herum befand sich ein Friedhof mit einem Beinhaus. Eine Mauer umschloss die Anlage und verlieh ihr das Aussehen einer Wehrkirche; so heißt es noch 1687, die Kirche sei „geringsherum mit einer hohen, wehrhaften Mauer umgeben“. Ein Bericht aus dem Jahre 1496 verrät, dass das Kirchenbauwerk und die innere Ausstattung herabgekommen waren. Dies hing wohl vor allem auch damit zusammen, dass Großsachsen zu dieser Zeit keine eigene Pfarrei darstellte. Wir wissen ferner, dass der Dreißigjährige Krieg dem Bauwerk zusetzte. Noch nach 1760 erinnerten sich die Großsachsener, dass die Spanier die Kirchenglocken geraubt hatten, was 1619 oder 1621 geschehen sein muss. 1674 erlitt der Kirchenbau erneut größere Schäden; es heißt, die Kirche sei bei dieser Gelegenheit ganz abgebrannt, zumindest aber büßte sie ihr Dachwerk ein. Die reformierten Gläubigen waren seither gezwungen, ihre Gottesdienste im Großsachsener Rathaus abzuhalten.

Anlässlich eines Konventes in Leutershausen forderten die Großsachsener Kirchenältesten 1685 den Wiederaufbau der von den Franzosen eingeäscherten Kirche. Die Zahl der Gläubigen nehme zu, weshalb es auf dem Rathaus zu eng werde, die Leute stünden dem Pfarrer fast „auf dem Hals“. Im folgenden Jahre wurde die Bitte erneuert mit den Hinweisen, dass die Kirche an der öffentlichen Landstraße liege und ohne allzu große Kosten wiederaufgebaut werden könne. Die Renovierung der Dächer von Kirche und Turm erfolgte schließlich 1687, wobei das Zimmerwerk in Heidelberg fertig gestellt werden sollte, von wo es durch Fronfuhren nach Großsachsen zu schaffen war. Allerdings fehlten weiterhin die Fenster. Dies blieb auch so in den folgenden Jahren. So meldete 1696 Schaffner Glaser aus Weinheim, dass die Weinheimer Karmeliter wiederholt durch die offenen Fenster in die Großsachsener Kirche eingestiegen seien. Dies wurde dadurch erleichtert, dass der Zugang zum Friedhof und damit zur Kirche aufgrund eines fehlenden Tors offen stand. Die reformierte Sektion der Geistlichen Administration ließ deshalb ein Tor anfertigen. Schaffner Glaser gab sich damit nicht zufrieden und forderte die Anbringung von Läden an den Kirchenfenstern. Die Friedhofsmauer selbst sei hoch und nur mit Leitern zu übersteigen. Wenn aber die Katholischen die Kirche in Besitz nehmen wollten, würden wohl alle Vorsichtsmaßnahmen nichts helfen, „wie wir allhier zu Weinheim leider erfahren haben“.

Die tatsächlich erfolgte Inbesitznahme der Kirche durch die Katholiken endete, wie wir gehört haben, 1707. Der erbetene Neubau einer größeren Kirche sollte freilich noch auf sich warten lassen. 1724 legte der „Baukommissar“ Born seine Pläne für eine Kirche vor, die mehr als die doppelte Grundfläche des bisherigen Kirchengebäudes aufwies, den bisherigen Kirchturm aber beibehielt. Der Abbruch des alten Gebäudes einschließlich des „Beinhäusels“ geschah noch im Oktober dieses Jahres. Die dabei gewonnenen Steine waren als Baumaterial für die neue Kirche vorgesehen. Die Fundamentgräben des Neubaus, der einen Teil des alten Friedhofsgeländes in Anspruch nahm, wurden auf Drängen des Baukommissars ebenfalls noch im Oktober gezogen. Da es notwendig war, die dort befindlichen „alten Körper“ auszugraben und umzubetten, legte Born Wert darauf, dass diese Arbeit noch im Spätjahr in Angriff genommen wurde, im Frühjahr nämlich, so Born, wäre der dabei auftretende „Geruch“ so stark, dass sich kein Mensch zu dieser Arbeit gebrauchen lassen würde. Die Ausführung des Baues geschah durch den Großsachsener Maurermeister Kleinheitz. Der erste Gottesdienst, „nebst Taufung eines Kindes“ fand am 7. Oktober 1725 statt. Obwohl der Innenausbau der Kirche noch nicht vollendet war, hatte Pfarrer Neureuther von Leutershausen „durch Beihilfe der gräflich wiserischen Untertanen von Leutershausen“ sozusagen im Handstreich und durch Überlistung des Maurermeisters Kleinheitz von der Kirche Besitz ergriffen, was zu großem Unmut in Großsachsen führte. Pfarrer Neureuther ließ sich schließlich auch nicht davon abhalten, die nach der ersten Inbesitznahme wieder verschlossene Kirche unter Einsatz von Hammer und Meißel gewaltsam öffnen zu lassen, wobei Schloss und Kirchentür ruiniert wurden.

1754 zeigten sich bedrohliche Schäden an der „Bohrkirche“, der Empore. Eines Sonntags, als die unter der Empore sitzenden „Weibspersonen“ gerade die Kirche verlassen hatten, „wich“ der Haupttragebalken auf einer Seite aus seinen Lager und lag nur noch drei Fingerbreit auf. Es bestehe die Gefahr, so Pfarrer und Kirchenälteste, dass die Bohrkirche, auf der oft über 300 Menschen säßen, plötzlich herunterfallen und „die oben und unten“ sitzenden Menschen getötet würden. Im gleichen Bericht ist auch von „Oberbalken“ die Rede, die unter der Einwirkung von Regen und Schnee ganz verfault seien.

1759 stellte Baumeister Johann Georg Scherrer fest, dass sich der Turm auf der Seite zur Kirche hin „auseinandergegeben“ habe und sein Einsturz zu befürchten sei. Scherrer wurde daraufhin von der Geistlichen Administration beauftragt, Pläne und einen Voranschlag zum Neubau eines Turmes und zur Reparatur des Kirchendaches bei gleichzeitiger leichter Erhöhung des Kirchenbaues vorzulegen. Anfang Dezember 1760 war die Kirche „unter Dach gebracht“ und der Turm zur Hälfte fertig gestellt. Die Gemeinde hatte den ganzen Sommer über viele Fronfuhren geleistet mit dem Hinwegführen des „Kummers“, des Bauschutts des abgerissenen alten Turmes, und weiterer unbrauchbarer Materialien und dem Herbeiführen des Gerüstes, des Bauholzes, der neuen Steine, des Kalks und „des ungeheuer vielen Sands“. Trotz dieser Fronleistung, die, wie es heißt, die Großsachsener fast von ihrer alltäglichen Arbeit abhielt, wurde der Voranschlag überschritten, was zum Teil an der unerwartet aufwändigen Fundamentierung des Turmes lag, zum anderen aber auch an den nachträglichen Wünschen der Gemeinde zur „Verzierung“ der Giebelfassade. In der Auseinandersetzung darüber, wer für die Mehrkosten der Fassade aufzukommen habe, stellte sich die Geistliche Administration auf den Standpunkt, dass dies die Gemeinde zu übernehmen habe. So geschah es wohl auch. Immerhin stellt sich die Großsachsener evangelische Kirche seit dieser Zeit im Äußeren unverändert als markantes Wahrzeichen des Ortes an hervorgehobener Stelle dar, womit sich die Ausgaben längst amortisiert haben.

Was 1761 noch fehlte, waren Glocken im neuen Turm. In einer Bittschrift an die Geistliche Administration wiesen die Großsachsener Reformierten darauf hin, dass der Ort sehr weitläufig, die Zeitmessung in den Bauernhäusern aber sehr unzuverlässig sei, weshalb es immer wieder vorkomme, dass die Gläubigen erst kurz vor Ende des Gottesdienstes in der Kirche einträfen. Der Befund im alten, abgebrochenen Turm habe gezeigt, dass er einst einen Glockenstuhl aufgewiesen habe. Die Geistliche Administration zeigte sich von Bittschrift und Argumentation offenbar überzeugt; 1762 ließ sie bei Anselm Speck in Heidelberg drei Glocken für die Großsachsener Kirche gießen, die fortan zu den gottesdienstlichen Handlungen riefen.

Rainer Gutjahr