Kirchen
Immer,
wenn ich als Zehnjähriger den Spruch hörte: „Merke Dir das für Dein
späteres Leben!“ dachte ich – schon wieder, was soll ich mir noch alles
merken. Mich interessierte, was ich täglich erlebte, und nicht, was noch
kommen könnte. Es gab so viel Aufregendes, da hatte ich gerade genug zu
tun, um diese Eindrücke zu verarbeiten.
Erst mit
zunehmendem Alter fing ich an, den Sinn dieser Belehrungen zu begreifen.
Der Großvater sagte damals zu mir: „Beurteile nie Menschen nach ihrem
Glauben oder Aussehen. Beurteile sie nach dem, was sie tun, ob sie
anständig sind, ehrlich, sehen, wenn Du Hilfe brauchst und ob sie das,
was sie sagen auch so meinen.“ Ich meinte damals: „Andere Menschen, die
einen anderen Glauben haben, sind Ungläubige.“ Er belehrte mich eines
Besseren und erklärte mir: „Wo nimmst Du Dir das Recht her, andere
Menschen als Ungläubige zu bezeichnen. Sie sind vielleicht
andersgläubig, aber nicht ungläubig. Unser Herrgott hat uns alle
erschaffen, egal, welcher Nation oder welcher Glaubensart er zugehörig
ist.“ Später, als ich schon verheiratet war, lernte ich ein Ehepaar
kennen, er Amerikaner und sie Japanerin. Ich erfuhr, dass sie beide dem
Buddhismus angehörten und wollte wissen, was denn so anders an diesem
Glauben ist. Man erklärte mir geduldig die Philosophie dieses Glaubens,
hat aber nie versucht, mich zu bekehren. Es ist mir dann noch des
Öfteren passiert, dass ich Menschen anderer Glaubensart kennen lernte.
Ich fragte dann viel, bekam bereitwillig Auskunft und war meist
überrascht, dass bei fast allen Glaubensrichtungen ein roter Faden zu
beobachten war. Unsere zehn Gebote fand ich fast immer in abgewandelter
Form wieder. Heute suche ich die Gemeinsamkeiten und respektiere die
unterschiedliche Form der Gottesverehrung.
Willi Eck
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