Man nannte sie die Schoppensänger
(Schoppen Wein). Diesen Ausdruck hörte ich auch von anderen älteren
Mitbürgern. Vielleicht kann man ja in alten Archiven noch einige
Mitteilungen finden, wenn die Schoppensänger nach getaner Arbeit nach
Hause gingen und dann kräftig weiter sangen, so dass der damalige
Polizeidiener Ruhestörungen melden musste.
Ab und zu kam es vor, dass
sich zwei Gruppen beim selben Jubilar trafen, sodass sie sich dann zu
einem gemeinsamen Lied entschließen mussten, das beide Gruppen
einstudiert hatten. Da gab es schon manchmal einen kleinen Disput, bis
man sich schließlich auf ein Lied geeinigt hatte. Der Lohn war der
gleiche: Man wurde zum Festschmaus eingeladen und das war im 18.
Jahrhundert schon etwas Tolles. Denn Essen und Trinken war in der
Bevölkerung nicht gerade reichlich. Ich denke, diese Tradition wird
heute vom MGV in veränderter Form immer noch ausgeführt.
Es war also eine Zeitfrage, bis sich
ein Initiator fand, der die kleinen Gruppen zusammenführte, so dass 1873
der MGV entstehen konnte. Man kann also vermuten, dass die ersten
zarten Wurzeln von diesen kleinen Gruppen ausgingen, die dann weiter sprießten, so dass 1873 der Männergesangsverein bei seiner
Gründung schon 30 aktive Sänger hatte. Und es ging stetig aufwärts.
Hier noch ein kleiner Bericht, wie
ich den MGV erstmals wahrnahm. Als mein Vater 1948 von der
Gefangenschaft nach Hause kam, wurde er nach einiger Zeit Mitglied des
MGV. Ich höre ihn noch heute zu meiner Mutter sagen: „Amalie, heute
Abend muss das Essen pünktlich fertig sein, ich habe Singstunde.“ Und
wehe, es war nicht ganz fertig, dann war er ungehalten und sagte: „Dann
esse ich eben was schon fertig ist, Gemüse oder Fleisch. Die Kartoffel
können wir ja morgen essen. Ich muss pünktlich sein.“
Auch kann ich mich noch erinnern, dass
der MGV rauschende Faschingsbälle im Vereinslokal Zur Krone
veranstaltete. Meine Mutter und ihre Freundin liehen sich dann Kostüme
aus, die auch mein Vater nicht sehen durfte. Das hatte zur Folge, dass
er seine Frau erst bei der Demaskierung erkannte. Wie ich ihren
Erzählungen entnehmen konnte, war das immer sehr lustig und sie
erzählten, wen man alles veräppelt hatte.
Mein Vater predigte mir schon als
Junge: „Wenn Du älter bist, gehst Du auch zum Singverein.“ Als ich dann
nach ein paar Jahren so weit war und mit einem Freund in die Singstunde
ging, mussten wir die Tonleiter singen. Bei meinem Freund lief das ja
alles noch ganz gut. Dann war ich an der Reihe. Schon nach den ersten
paar Tönen sah ich das Gesicht des Dirigenten, der aussah, als hätte er
Zahnschmerzen. Er sagte: „Es gibt bestimmt viele Dinge, die Du besser
kannst als Singen.“ Er meinte dann: „Zweiter Bass“. Aber ich habe das
Singen lieber gelassen. Ich weiß leider nicht mehr genau den Namen
des Dirigenten. Ich glaube, es war der Theo Schmitt. Die Zeit war
1959/1960.
Auch kann ich mich noch an eine
Theateraufführung des MGV erinnern. Sie hieß: „Der zerbrochenen Krug“
oder so ähnlich und fand im Hotel Zur Krone statt. Da gab es eine
große fest eingebaute Bühne mit allem Drum und Dran. Die Krone war ja
damals auch das Vereinslokal des MGV.
Auf den alten Bildern erkennt
vielleicht der eine oder andere seine Eltern oder Großeltern wieder. Die
alten Zeitungsausschnitte der Weinheimer Nachrichten von 1953 berichten
über das 80 jährige Jubiläum des MVG Sängerbund 1873 und ein besonderes
Fundstück ist das Sommergedicht in Mundart von Rudolf Leh, das ebenfalls
in der damaligen Ausgabe zu finden war. Viel Freude beim Betrachten und
Durchstöbern.
Willi Eck
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