Der Friedhof

Ich kann mich noch gut erinnern: Da wollte ich dem Großvater etwas Gutes sagen, denn ich mochte ihn ja und konnte ihn gut leiden.

Ich sagte zu ihm: „Großvater, ich bin auch evangelisch wie Du.“ Er sah mich an und sagte: „Ist das vielleicht etwas Besonderes?

Jetzt erzähle ich Dir einmal eine Geschichte, die solltest Du Dir merken für Dein späteres Leben: Es war nach der Reformation, als Protestanten und Katholiken auf separaten Friedhöfen beerdigt werden wollten. Da gab es in Großsachsen einen Schultheiß (Bürgermeister), Zehntrichter und gleichzeitig Kronenwirt, den übermannte der Zorn und er sagte zu den Versammelten: ‚Was glaubt Ihr, wer Ihr seid. Denkt ihr, wenn Ihr heute einmal den Arsch zukneift und vor der Himmelstür steht, unser Herrgott fragt Euch dann – Warst Du katholisch oder evangelisch? – Nein, bestimmt nicht. Er wird Euch fragen – Warst Du ein guter Mensch? Hast Du Dich an die Gebote gehalten, die ich Euch gegeben habe? Hast Du den Armen, Schwachen und Kranken geholfen? Hast Du den Traurigen Trost gespendet?’ Die Versammelten machten betretene Gesichter und waren danach schnell verschwunden, außer den beiden Pfarrern, der aus Leutershausen und Hohensachsen. Großsachsen hatte damals noch keine eigene Pfarrerei. Zu den beiden soll er gesagt haben: ‚Ihr zwei kommt mir gerade recht. Euch beiden möchte ich einmal etwas sagen: Beten nicht beide Konfessionen zu dem gleichen Herrgott und zu Jesus? Also was soll dieser Kleinkrieg mit zwei Friedhöfen. Die Gemeinde hat dafür kein Geld. Oder wollt Ihr Beide das etwa selbst bezahlten?’ Beide verneinten. ‚Ihr zwei kommt jeden Monat, sitzt bei mir in der Gaststube, esst und trinkt, unterhaltet Euch von Pfarrer zu Pfarrer und danach bettelt Ihr beide um einen Obolus für die Armen und Bedürftigen. Geben wir das Geld, das wir für die Friedhöfe ausgeben müssten doch gleich den Armen.’ Diese Zornespredigt scheint in Großsachsen und Leutershausen seine Wirkung getan zu haben. Denn die beiden Gemeinden waren die einzigen in der Umgebung, wo es einen gemeinsamen Friedhof für beide Konfessionen gab. Sicher ist anzunehmen, dass es bestimmt noch die eine oder anderen Querelen gab, aber er hatte sich durchgesetzt. Er konnte es sich wahrscheinlich auch leisten, denn er war bestimmt reich und gehörte zu den Honoratioren.“ Diese Belehrung des Großvaters möchte ich an meine Leser weitergeben. Man kann vielleicht annehmen, dass die Standpauke dieses Mannes mit dazu beigetragen hat, dass es in Großsachsen und Leutershausen für beide Konfessionen nur gemeinsame Friedhöfe gab.

Rainer Gutjahr hat natürlich wieder historisch die Geschichte des Friedhofs mit den Friedhofsverordnungen untermauert. Siehe sein Bericht.

Willi Eck