„Kichel-Singe“
In der Faschingszeit war es hier bei
uns in Großsachsen früher Brauch, dass die Kinder „Kichel-Singe“
gingen.
In Gruppen von zehn bis zwölf Kindern
gingen wir singend von Haus zu Haus, jeder mit einem kleinen Beutel in
der Hand. Vor jeder Tür blieben wir stehen und nun kam ein besonderes
Lied. Ich versuche, es hier so gut wie ich mich erinnern kann,
wiederzugeben:
„Juchee, die Fasnacht
die Kichel sin gebacke
ich hab se höre krache
steht ee guti Fraa im Haus,
lang mehr mol a Kichel raus, Kichel raus.
Loß mich net long steh,
sonst krieg ich krumme Bee,
loß mich net long waate,
sonst krieg ich krumme Waade.
Oder hach ich uf de Disch,
dass die Schüssel nunner bricht.“
Nach zweimaligem Singen dieses Liedes
hatten die meisten Hausfrauen Erbarmen und jeder von uns bekam sein
obligatorisches Küchel, 10 Pfennig oder Süßigkeiten. Zufrieden zogen
wir dann zur nächsten Belagerung weiter. Man kann sich vorstellen, dass
anhand der vielen Küchel, die wir verdrückten, bei dem einen oder
anderen erhebliche Verdauungsbeschwerden auftraten. Früher wurde
nämlich noch überwiegend mit Rapsöl gebacken.
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Die Gipspfeifen
Einer meiner Jugendfreunde hatte immer ein
Schlagwort. Wenn wir uns irgendwo trafen, war das erste, was er sagte: „He Männer, was machen wir denn?“ So geschah es auch an einem
Sommernachmittag. Auf sein: „He Männer, was machen wir denn?“, viel uns nicht
so schnell etwas ein, aber er wusste schon, was wir tun sollten.
Wir waren zu viert, und er sagte: „Kommt mal alle mit", und dann ging
es los. Wir gingen die Landstraße hinunter zum Kiosk vom Seitze Karl. Der Karl
verkaufte Bananen, Eis und Süßwaren. Vor dem Kiosk erklärte er uns: „Wir
kaufen uns Pfeifen. Mit denen kann man richtig rauchen.“ Gesagt, getan. Wir
kauften uns diese Gipspfeifen für 15 Pfennige, die mit Liebesperlen gefüllt
waren. Wir schütteten uns die Liebesperlen in den Mund, und weg waren
sie.
Der Jugendfreund brachte aus seiner Hosentasche einige Blätter Tabak hervor.
Mit unseren Pfeifen und den Tabakblättern gingen wir dann in die Bachwiesen.
Wir suchten uns ein Gebüsch, hinter dem wir uns alle vier verstecken konnten.
Dann wurden die Pfeifen mit Tabak gestopft, jeder steckte sich seine in den
Mund, und es ging los. Sie wurden angezündet und dann wurde geraucht. Da der
Tabak etwas feucht war, musste man dauernd ziehen, damit er am Brennen blieb.
Dies hatte zur Folge, dass diese Pfeifen immer heißer wurden, sie waren ja aus
Gips. Man konnte sie bald so gut wie nicht mehr anfassen. Im Zuge des
allgemeinen Ziehens, keiner wollte ja als erster Schluss machen, hielten wir die
Pfeife mit den Zähnen fest. Jeder zog, sodass es qualmte wie bei einer
Lokomotive. Nach einiger Zeit spürte ich, dass es mir so langsam aber sicher
schlecht wurde. Vor allen Dingen brannte dieser Tabak auf der Zunge zum
Verrücktwerden. Meinen Freunden erging es nicht besser. Es wollte ja keiner
aufgeben, aber irgendwann ließ der erste dann doch seine Pfeife fallen und
sagte: „Ich kann nicht mehr.“ Er machte einen Satz ins Gebüsch, und
weg war er. Demzufolge löste sich dann blitzschnell der Rest von uns auf. Die
Pfeifen lagen qualmend im Gras und wir saßen in den Büschen. Es war uns ja
dermaßen elend! Wir hatten alle den Marsch. Das war unsere erste Erfahrung mit
dem Tabakgenuss.
Willi Eck
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„Mer
sans gschickte Leit“
Als wir nun etwas älter waren, waren wir
immer noch so vier, fünf Jungs, die regelmäßig beisammen waren. Unsere ersten Biere tranken
wir im Gasthaus zum Weißen Lamm, und hier trafen wir auch so manches Original vom Ort. Es gab einen älteren Mann, der
immer, wenn man ihn sah und grüßte, sagte: „Mer sans gschickte Leit“
oder: „gschickte Leit sans mer.“ Diesen Mann trafen wir des öfteren im Lamm. Dort trank er meistens einen über den Durst und jeder
zweite Satz war: „Mer sans gschickte Leit.“
Einmal bat er einen von uns: „Kannst Du mir einmal helfen, ich muss mal raus“
Ja, wir haben ihm geholfen, er suchte das Pissoir. Nachdem er das nicht mehr
fand, haben wir ihn im Gasthaus in die gegenüberliegende Tür geschickt. Was
wir aber nicht wussten war, dass dort das Schlafzimmer der Wirtin war. Der Herr „Gschickte
Leit“ machte die Tür auf und ging hinein. Es war dunkel
und er murmelte noch: „Es brennt schon wieder kein Licht“. Und dann
hörte man es platschen. Im selben Augenblick kam die Wirtin, erwischte diesen
armen Tropf, packte ihn am Genick, er hatte kaum Zeit, sein Gemächte zu
verstauen, und zog ihn in den Hof wobei sie rief: „Du Ferkel, Dir werd ich
helfen,
mir ins Bett pinkeln.“
Willi Eck
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Die Luftballons
Mit den amerikanischen Besatzungsmitgliedern
hatten wir seltsamerweise immer Pech. Wir bekamen meist etwas geschenkt, aber
entweder wurde uns daraufhin schlecht oder wir bekamen Prügel von den Eltern.
So war es auch dieses mal wieder passiert.
Einer der Amerikaner schenkte mir einen langen Silberstreifen, in dem vielleicht
60 Päckchen eingestanzt waren. Als ich diese aufriss, waren Luftballons drin.
Zu dieser Zeit wusste ich natürlich nicht, dass das Präservative waren. Mein
Freund und ich haben uns gefreut und die Kette geteilt. Dann haben wir die Päckchen schön ausgepackt und
zur Freude aller diese Ballons
aufgeblasen. Jeder wollte so ein Ding haben und einige verschenkten wir dann
auch.
Ich stand gerade so schön an der Straßenecke und blies ein Präservativ auf, da
kam meine Mutter dazu. Was sie natürlich nicht wusste, war, dass wir die
Präservative steril aus den Päckchen genommen und dann aufgeblasen hatten. Weil man hier
teilweise Präservative auf der Straße oder im Bach fand, und zwar
gebraucht, dachte sie: „Um Gottes Willen, dieses Ferkel hat diese Dinger
aufgehoben und bläst sie jetzt auf.“ Sie packte mich, haute mir den Hinter
voll und rief dabei: „Dir werd ich helfen, Dir werd ich helfen!“
Im Nachhinein tat es meiner
Mutter leid, nachdem sie sah, dass ich noch einige ganz neue Päckchen hatte und zu ihr
sagte: „Ich hab' sie doch ganz neu ausgepackt.“ Dann hat sie mich
wieder gestreichelt und meinte: „Es tut mir leid, ich hatte gemeint, du hast
die Dinger gebraucht genommen.“ Und da fing ich an, nachzufragen:
„Gibt's
die Dinger auch gebraucht?“, worauf Sie mir dann einiges erklärte. Von dieser Tracht Prügel an wusste ich, was Präservative
sind, vorher
konnte ich dieses Wort nicht genau einordnen.
Willi Eck
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Die Schatztruhe
Mein Freund Gerle, der ein Jahr jünger war
wie ich, hatte einen Fabel für
Schätze. Er war immer auf der Suche nach einem Schatz. Irgendwann hatte er mich
damit angesteckt, und ich fing auch an, wie verrückt zu suchen. Wenn irgendwo eine
alte Mauer war, fingen wir an zu klopfen, um zu hören, ob da ein Hohlraum sei.
Ich fand nie einen Schatz.
Eines schönen Tages kam der Gerle zu mir und sagte: „Mann, ich hab' eine Kiste
gefunden, ich hab' einen Schatz gefunden.“ Ich war natürlich hell
begeistert. Stolz meinte er: „Komm mal mit, ich zeig sie dir.“
Dann sind wir beide los. Im
Schuppen hatte er irgend so eine Kiste aus altem Holz versteckt, das
richtig vermodert roch. Endlich bekamen wir die Kiste auf, und siehe da,
es waren lauter schwarze Metallscheiben darin. Das war natürlich eine
Riesenenttäuschung, weil es nicht geglänzt und geglitzert hat. Wir merkten, dass die Scheiben ziemlich schwer waren,
putzten sie ein bisschen an der
Hose ab, aber sie blieben schwarz. Das Einzige, was wir mit den Dingern
anfangen konnten, war, sie zu verschleudern. Wir packten unsere Schleudern aus der
Hosentasche und schossen die Scheiben in die Luft über die Häuser.
Das hat immer so schön gepfiffen.
Durch Zufall kam mein Vater dazu und fragte: „Was schafft ihr denn da? Was
pfeift denn da immer so, wenn ihr schießt?“ „Ach,“ sagte mein
Freund, „wir haben da so Metallscheiben gefunden und die verschießen wir
jetzt.“ Mein Vater sagte: „Kann ich die mal
sehen?“ Es waren nur
noch eine oder zwei da. Ich gab ihm eine, die letzten hatte der Gerle
verschossen. Mein Vater putzte sie eine Weile und rief dann: „Seid ihr
verrückt?“ Ich sagte: „Wieso, was ist denn passiert?“
„Das
waren alles Münzen, die ihr fortgeschossen habt“, sagte mein Vater. Wir
haben natürlich gesucht, aber wir haben nichts mehr gefunden. Es blieb nur die
eine, und die stammte aus dem Jahre 1509 aus der Stadt Frankfurt und war eine
Goldmünze. Es war die einzige von vielleicht 60 oder 70 Münzen, die übrig
geblieben war.
Willi Eck
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Der Ring im Rheinkies
In der Kirchgasse, wo wir früher gewohnt hatten,
baute der Jungbauer, nachdem er aus dem Krieg zurück gekommen war, einen
Kuhstall mit einer Scheune. Zu diesem Zwecke bestellte er sich Rheinkies, der auf einem Laster immer ganz tropfnass ankam und im Hof abgekippt wurde.
Schnell entdeckten wir Kinder, dass da noch sehr viele Muscheln dabei waren, die
teilweise noch lebten. Diese setzten wir in Einmachgläser und konnten
beobachten, wie sie sich öffneten und schlossen.
Beim Wühlen nach diesen Muscheln fand ich plötzlich einen riesengroßen Ring
mit einem etwa Zweimarkstück großen wasserblauen Stein in einer schweren
goldenen Fassung. Ich war natürlich riesig erfreut. Mein Freund und die anderen
drei Kinder sahen diesen Ring, und dann ging es los. Jeder wühlte in
diesem Kieshaufen, um vielleicht noch mehr Ringe zu finden. Ich hängte
mir meinen Ring an den kleinen Finger und grub mit den anderen Fingern auch
wieder fleißig weiter. Wie verrückt haben wir gegraben.
Doch auf einmal, da war mein Ring wieder fort. Wir haben den ganzen
Kieshaufen umgescheppt, aber wir haben den Ring nicht wieder gefunden. Es blieb
auch keine Zeit mehr, weil der Kies ständig wieder in den Betonmischer geschmissen wurde.
Ich vermute, dieser Ring ist heute in dem Kuhstall eingebaut. Ich weiß nicht,
was für ein Ring das war, vielleicht von einem alten Kirchenschatz. Ich weiß
aber, dass wenn man zuviel will, man zum Schluss gar nichts mehr hat.
Willi Eck
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Das Paket Kaugummi
Mein Freund Gerle und ich spielten gerne in der
Hönigstraße, in der die amerikanischen Besatzungssoldaten ihr Lager
aufgeschlagen hatten. Dort sahen wir einen Amerikaner, und mein Freund Gerle
sagte: „Ich kann Englisch, ich schwätz den mal an.“ Er ging zu ihm
hin und sagte: „Hi, you have a chewigum?“ „Ja,“ sagte
der Amerikaner seltsamerweise auf Deutsch, „come on boy“. Wir freuten
uns tierisch und sind mitgegangen. Dann schenkte er uns ein riesengroßes Paket,
das etwa die Größe von einer doppelten Salzpackung hatte. Wir schnappten uns
das Paket, es war noch schön original verpackt, stammelten „Thank you,
thank you“ und rannten los.
Wir verzogen uns eiligst in die Scheune. Zu dieser Zeit hatte man immer Hunger,
und wir rissen das Paket auf und rochen. Es roch nach Zimt und Orangen, es war
ein wunderbarer Geruch. Mein Freund sagte: „Das sind irgendwelche gepresste
Rosinen.“ Jeder nahm eine Handvoll und kaute. Es schmeckte süß,
und es
sammelte sich unheimlich viel Spucke im Mund. Mein Freund sagte: „Mann,
sammelt sich da Brüh im Mund.“ „Bei mir auch“ sagte ich und wir schluckten und
schluckten. Wir guckten, dass ja jeder genau die Hälfte bekam und stoppten das
Zeug immer weiter in uns hinein. Nachdem wir so etwa drei Viertel von dem
Paket aufgefuttert hatten, sagte ich zu meinem Freund: „Kannst alles andere haben, ich mag nichts mehr.“
„Ich auch nicht“, antwortete er. Es war uns beiden ja dermaßen schlecht!
Ich ging heim zu meiner Mutter. Das erste, was sie sagte, als sie mich sah, war: „Hast Du geraucht?“
Guten Gewissens sagte ich: „Nein, ich habe nicht geraucht.“
Besorgt fragte sie: „Was ist dann mit dir
los? Du bist ja ganz käsig.“ Mir war es ja so furchtbar schlecht.
Plötzlich ging es dann los. Es ging alles oben und unten raus. Ein paar Minuten
später kam dem Gerle seine Mutter und sagte: „Was haben denn die zwei
geschafft? Der Gerle, der spuckt, der kommt nicht mehr vom Topf runter. Da geht
ja alles oben und unten raus. Ich glaub, die Bengels, die haben geraucht.“
Ich beteuerte: „Nein, wir haben nicht geraucht.“ Da fragte mein Vater:
„Was habt ihr dann geschafft?“ Kleinlaut
gestand ich: „Wir haben von einem Ami ein Paket gekriegt und das haben wir
gegessen.“ Mein Vater wollte sofort wissen: „Wo ist das Paket?“
Ich stammelte: „In der
Scheuer.“ Daraufhin ist mein Vater natürlich gleich in die Scheuer gesprungen und
hat das Paket gesucht, hatte es auch gefunden und kam wieder rein. Dem Gerle
sein Vater war inzwischen auch noch gekommen. Die zwei Väter guckten auf das Paket, und
dann sagte mein Vater: „Mann Gott, wisst ihr, was die gegessen haben,
die zwei Kerle? Die haben doch ein ganzes Paket Kautabak gefressen.“ Das gedenkt
mir ewig. Drei Tage konnte ich nicht in die Schule und mein Freund auch nicht, so schlecht ging es uns, nachdem wir dieses Paket Kautabak gespachtelt
hatten.
Willi Eck
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Die Servelatwürste
In der Zeit, wo die Amerikaner hier noch als
Besatzungsmacht waren, durften wir Kinder uns nach vier bis fünf Wochen nach
ihrem Einmarsch wieder frei bewegen. Und so kam es, dass in der Hönigstraße,
die noch nicht so bebaut war wie heute, und wo oben in der Kurve noch freies
Feld war, die Amerikaner ihren Lagerplatz errichteten. Hier übernachteten die
Besatzungssoldaten und schliefen in Zelten. Nur die Offiziere waren in den
Häusern in der Hönigstraße untergebracht.
Mit meinem Freund und noch drei Jungs und einem Mädchen schlichen wir da herum
und guckten, was dort bei den Amerikanern los war. So kamen wir auch zu diesem
Zeltplatz. Dort war alles ganz ruhig, und in der Mitte stand ein großer Kessel,
aus dem es noch leicht dampfte. Neugierig, wie wir waren, schlichen wir
natürlich um diesen Kessel herum. Hinzugehen, trauten wir uns nicht. Da sagte
mein Freund: „Wartet, ich kann am schnellsten rennen, ich geh hin und
guck.“ Er startete los, guckte und es hat sich nichts gerührt. Ganz
aufgeregt kam er zurück und sagte: „Mensch, kommt, da ist alles voll mit Würscht.“
Wir schauten uns nochmals um, sahen niemanden, in den Zelten blieb alles ruhig
und rasten los zu diesem Kessel. Ach, da waren wunderbare, schöne
Servelatwürstchen. Jeder hat sich eins rausgeholt und hineingebissen. Hat das
prima geschmeckt.
Doch plötzlich sagte mein Freund: „Oh Gott, oh Gott“. Wir
drehten uns um und siehe da, rings um uns herum standen Amerikaner. Sie hatten
uns regelrecht eingekreist. Oh je, uns fiel das Herz in die Hosen. Wir
hatten das Gefühl, jetzt hat unsere letzte Stunde geschlagen. Da kam ein
Amerikaner auf uns zu, der etwas Deutsch sprechen konnte, und fragte uns: „Was macht ihr hier?“
Wir stotterten: „Wir wollten nur einmal gucken“. Jeder
hatte die Wurst hinter seinem Rücken, damit man sie nicht sieht. Mein Freund
sagte gleich: „Jetzt werden wir erschossen“. Oh, dachte ich,
vielleicht sollte ich das Würstel doch lieber wieder zurückwerfen. Ich wollte
gerade die angebissene Wurst in den Kessel schmeißen, da schrie dieser
Amerikaner: „Stop!“ Da hab ich zu meinem Freund gesagt:
„Oh Gott,
der nimmt's nicht einmal wieder an.“ Wir standen da und warteten. Dann
sagte der Amerikaner zu uns: „So, alle fünf essen!“ Das ließen wir
uns natürlich nicht zweimal sagen. Wir holten unsere Würstchen wieder hervor
und haben gegessen und gegessen.
Es hatte einige Zeit gedauert, es waren doch unendlich viele, und irgendwann
konnten wir nicht mehr. Mir sind die Servelatwürstchen schon aus den Ohren
gekommen, und mein Freund war ganz gelb im Gesicht. Die anderen Vier waren
auch schon ganz malad. Wir haben nur noch gestöhnt. Doch wenn wir aufhören
wollten zu essen, hieß es: „Essen!“, immer wieder:
„Essen!“
Mir war so schlecht, ich konnte fast nichts mehr schlucken. Also steckten wir
die Würstchen in die Hosen und überall hin, wo es möglich war, bis der Kessel
leer war. Dann erst durften wir gehen. Bis auf den heutigen Tag kann ich kein
Servelatwürstchen mehr sehen.
Willi Eck
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Das Weinfass
Ein früher hier ortsansässiger Küfer kaufte
von einem Bauern im Ort ein kleines Fass Wein und die Bauern, die zu diesem Küfer
kamen und ihre Fässer bearbeiten und schwefeln ließen, bekamen alle von diesem
Wein angeboten. Das ging solange, bis eines Tages einer kam, der auch diesen Wein trank und
meinte: „Oh, verflixt, der killt ja Katzen, das ist ja der reinste Trechter.
Was ist denn das für ein Wein?“ Der Küfer meinte:
„Gell, der
schmeckt komisch!“ Die anderen Bauern, die dabei waren meinten auch, dass
der Wein grauenhaft sei und fragten sich, was das sein könnte. Der Küfer
meinte: „Ich weiß nicht, was das ist. Der Wein wird von Tag zu Tag
schlechter. Ich kann mir das eigentlich nicht erklären.“
So begab es sich dann, dass der Küfermeister eines schönen Tages diesen Wein
auch nicht mehr trinken mochte, denn er schmeckte immer schlimmer und schlimmer. Er
öffnete das Weinfass, und siehe da, es kam eine riesengroße tote Maus heraus,
die schon in der Auflösung begriffen war. Man kann sich vorstellen, dass der Wein
dann
natürlich für alle, die ihn getrunken hatten, das große Grauen war, und dass
ihnen noch im Nachhinein schlecht wurde.
Willi Eck
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Der Kartoffelsalat
Vor 40 Jahren war es noch nicht
üblich, dass die Frucht auf den Feldern von einem Mähdrescher gedroschen
wurde, sondern sie wurde nach Hause gefahren und in der Scheune gestapelt.
Nachdem die Frucht eingefahren war, kam nach einiger Zeit, wie es üblich war,
zu jedem Bauernhof die Dreschmaschine. Es waren dann sehr viele Leute
beschäftigt, denn es war eine sehr schwere Arbeit, die mit viel Staub
verbunden war. Es gab dabei meistens sehr gutes Essen und viel Wein, um den
Staub hinab zu spülen.
So soll es sich in einem Nachbardorf auf einem Bauernhof, wo gerade die
Dreschmaschine war, ergeben haben, dass so kurz vor 12, es wurde dort
immer pünktlich Mittag gemacht, einer der Drescharbeiter hörte, wie die
Altbäuerin zu ihrer Jungbäuerin rief: „Erna, wenn dem Klone de Asch
abgeputzt hoscht, gehscht reu un mäscht de Mannsleut de Kadoffelsalat oo.“
So wie ich später mitbekommen habe, soll der Kartoffelsalat an diesem Tag
nicht der große Renner gewesen sein, was man sich wohl denken kann.
Willi Eck
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Jesus
Ich kann mich noch erinnern,
dass, als ich etwa zehn Jahre alt
war, mein Vater jeden Samstag oder Sonntag
Morgen Besuch von einem Bürger aus Großsachsen bekam, der der Apostolischen
Glaubensgemeinschaft angehörte. Er versuchte, meinen Vater zu bekehren, dieser
Glaubensgemeinschaft beizutreten.
Mein Vater holte, schon wohlwissend, dass dieser Mann heute wieder kommt, seine
alte Bibel hervor, und dann ging die Diskussion zwischen den beiden los, oft
über mehrere Stunden, wie man diesen oder jenen Satz der Bibel auszulegen hat.
Und jedes mal, wenn ich etwas sagen wollte, hieß es: „Sei ruhig, setz dich
hin und hör zu“, was ich dann natürlich auch tat.
Eines Tages diskutierten sie über Jesus. Mein Vater kam zu dem Schluss „Man weiß ja gar nicht genau, ob Jesus gelebt hat und wie er aussah.“
Da hielt ich meine Zeit für gekommen, denn dazu hatte ich ja etwas zu sagen. Ich schnellte
wie von der Tarantel gestochen in die Höhe und sagte: „Da seid ihr im
Irrtum. Ich kenne ihn und ich weiß auch, wie er aussieht.“ Wie aus einem
Munde sagten beide: „DU?“ Ich sagte:
„Ja. Ihr müsst nur in die
Kirche gehen. Im Kirchenfenster ist er genau abgebildet. Da könnt Ihr sehen,
dass er gelebt hat und wie er ausgesehen hat.“ Beide schauten sich einander
an, klopften mir auf die Schulter und sagten: „Ja, so ist es gut, du hast
recht.“
Willi Eck
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Der Teufelstrappen
In Großsachsen gibt es auch
einige Sagen, zum Beispiel die vom Teufelstrappen. Im Großsachsener Tal, gleich
hinter Klosah's, macht die Straße eine große Kurve. In dieser Kurve ist eine
Felsformation, und hier soll der Teufel über den Haferberg mit seiner
Großmutter im Leiterwägel auf einen Felsen getreten sein und seinen Abdruck
hinterlassen haben. Das hatte man uns Kindern erzählt. Lange Zeit hatten wir
Zehnjährigen das so hingenommen und geglaubt. Und eines Tages untersuchten wir
diese Stelle und fanden tatsächlich in einem Felsen mit etwas viel Phantasie
einen gespaltenen Fußabdruck. Dies ist die Sage vom Teufelstrappen.
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Das Galgengewann
Auch gibt es die Sage, dass
früher in Großsachsen im Galgengewann, wo damals der Zentgalgen stand,
zu gewissen Jahreszeiten in bestimmten Vollmondnächten ein schwarz gekleideter
Mann herumläuft und vor sich hinstöhnt. Nach der Sage, wie man es mir erzählt
hat, soll es einer der Zentrichter sein, der jemanden verurteilt und
hingerichtet hatte, obwohl er wusste, dass er unschuldig war.
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Der Druidenstein
Wo wir früher wohnten, in der
Kirchgasse, war unser Vermieter ein alter Bauer von Großsachsen, den alle „Großvater“
nannten. Mit ihm fuhr ich gern mit dem Fuhrwerk ins Feld zum
Pflügen. Er hatte immer irgendwelche Geschichten zu erzählen, denen ich
aufmerksam zuhörte. Rückwirkend kann ich heute sagen: Er brachte mir die Natur
bedeutend näher als es normalerweise in der Schule den Kindern beigebracht
wird.
Eines Tages erzählte er mir die Geschichte vom Druidenstein. Ein Druidenstein
müsste folgendermaßen aussehen, dann hätte er große Kraft und würde den
Menschen vor Unglück und Bösem beschützen: Er soll die Größe eines
Fünfmarkstückes haben, sehr flach sein, vielleicht fünf Millimeter und
müsste in der Mitte vom Wasser, vom Regen oder irgendwelchen Tropfen durchbohrt
sein. Er muss also ein Loch in der Mitte haben.
Ich hörte mir die Geschichte an, und von da an begann ich überall in jedem
Kieshaufen nach diesem blöden Druidenstein zu suchen, was mir natürlich nicht
gelang. Ich fand alle möglichen Steine, aber nie einen Druidenstein. Bis zu dem
Zeitpunkt, wo in Großsachsen der Waidsee angelegt wurde. Da wurden riesige
Mengen Kies herausgebaggert, um diesen See zu erzeugen. Und siehe da, an einem
riesigen Kieshaufen, wo sich die Steine unten immer sammelten, da fand
ich, welch ein Glück, so einen Stein. Er hatte die Größe von etwa einem
Zweimarkstück und war in der Mitte quasi vom Wasser durchbohrt. Man konnte es
deutlich sehen, da war ein feines Loch in dem Stein. Ich freute mich riesig
und nahm ihn gleich mit.
Von nun an trug ich ihn 14 Jahre lang an einer goldenen Kette um den Hals, bis
er eines Tages in meiner Hand zerbrach. Rückwirkend kann ich sagen, dass ich in
diesen 14 Jahren nie irgendwelches Pech oder Krankheiten hatte. Man mag es jetzt
glauben oder nicht, ich hatte kaum an den Stein gedacht, hatte ihn einfach getragen, und es ging mir gut. Erst als er zerbrach, hatte ich mehr
Pech als zuvor. Ich weiß nicht, ob es der Druidenstein war oder die reine
Einbildung, die mich beschützte.
Willi Eck
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Die Geschichte von den Kühen
Wir hatten Besuch und gingen
gemeinsam mit meinen drei Enkelkindern spazieren. Wir kamen durch den Milchhof,
wo die Tür des Kuhstalls offen stand. Die Kleinste, etwa vier Jahre alt,
hatte zuvor noch nie lebende Kühe gesehen. Sie war natürlich hell begeistert
und musste unbedingt in diese Stallung, um die Kühe zu betrachten, was sie dann
auch ausgiebig tat. Ich erklärte ihr dann unter anderem, dass das Kühe sind, die Milch
geben, damit sie morgens ihren Kakao trinken kann. Nach langen Hin und Her
fuhr ihr auch noch eine Kuh mit ihrer riesigen Zunge über das Gesicht, was ihr
aber nicht viel auszumachen schien.
Endlich brachte ich sie aus dem Kuhstall wieder heraus, und wir spazierten
weiter. Es war ein Weilchen still, und dann kam von ihr der Spruch: „Die
braunen Kühe, die mag ich besonders.“ Ich fragte sie verwundert: „Wieso die braunen?“
Sie erklärte mir: „Na ja, das sind die, wo ich meinen Kakao
krieg.“ Ich fragte ganz nichtsahnend: „Und was ist mir den
schwarzen?“ Daraufhin antwortete
sie mir: „Ja, die schwarzen Kühe mag ich später mal, wenn ich
Kaffee trinken darf.“
Willi Eck
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Der Tiefenbrunnen
Vom Großvater stammt auch die
Geschichte, die sich im Mittelalter in der Kirchgasse, es war die Nummer 36, in
der wir später auch wohnten, zugetragen haben soll.
Direkt neben der Hoftür
soll früher dort ein Brunnen gewesen sein, der fast 30 Meter tief war, ein
Tiefenbrunnen. Hier holten die Leute mit an Seilen gebundenen Eimern ihr Wasser
heraus. Eines Tages soll eine Frau in diesen Brunnen gefallen sein. Natürlich
traute sich niemand in die Tiefe, es war nicht möglich diese Frau zu retten. Nach einigen
Tagen kam auf die Hallo-Rufe keine Antwort mehr aus dem Brunnen, und man
schüttete ihn zu. Ich wertete das ganze als eine Sage, und dachte, es sei eine
überlieferte Geschichte, die bestimmt nicht wahr ist.
Eines Tages, da wir ja in diesem Haus wohnten, und genau an dieser Stelle
unheimlich viel Holz saß, wurde dieses Holz weggeräumt. Zutage trat der
normale Erdboden. Mir fiel diese Geschichte vom Großvater wieder ein. Ich holte
sofort eine Schippe und versuchte, an dieser Stelle, wo der Brunnen sein sollte,
das Erdreich etwas wegzutragen. Und siehe da, es kam tatsächlich ein Stück
Mauer, ein Fundament von einem Brunnen, zutage. Also musste sich die Geschichte
irgendwann im Mittelalter zugetragen haben und könnte wahr sein.
Willi Eck
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Die Attraktion
Ein Jugendfreund von mir, der
leider viel zu früh verstarb, kam eines Tages in den Hof, wo wir Kinder
spielten und sagte: „So,
heute Mittag kommt ein großes Kasperltheater. Um
drei Uhr beginnt's.“ Er hatte Stühle aufgestellt, sie mit einer Stange
verbunden und einen Teppich drüber gelegt. Wir waren alle sehr erwartungsvoll.
Er saß versteckt hinter dem Vorhang mit seinen Kasperpuppen und wollte nun Kasperles
spielen. Dann ging es los. Es läutete, und dann kam der Kasperkopf. Der
Kasper fing an zu singen: „Tri, Tra, Trallala“ und hörte plötzlich
auf. Es kam der Spruch: „Achtung, eine Attraktion!“ Lange Zeit war es
still und wir warteten gespannt. Plötzlich ist der Kasper in der Versenkung verschwunden und mit einem
weinerlichen Gesicht tauchte mein Freund auf.
Es war ihm folgendes passiert. Er
hatte anscheinend zu viel Luft im Bauch und wollte sie los werden. Das hätte
die Attraktion sein sollen. Er hatte dann kräftig gedrückt, was allerdings
nicht so ganz geklappt hat, denn es ging in die Hose. Da kam er hinter dem
Kaspertheater hervor, und wir haben natürlich alle tierisch gelacht.
Willi Eck
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Gott und Adam
In einem englischsprachigen
Film hörte ich folgende Geschichte, die ich nicht weglassen möchte. Es ging um
einen Dialog zwischen Gott und Adam. Adam fragte: „Oh Herr, warum hast Du
die Frauen so anmutig und schön gemacht?“ Da sprach der Herr: „Adam,
ich habe die Frauen so anmutig und schön gemacht, dass du sie lieben kannst.“ Es war eine
Weile ruhig, dann sprach Adam zu Gott: „Oh Herr, warum
aber hast Du die Frauen so dumm gemacht?“ Da sprach der Herr: „Adam,
ich habe die Frauen so dumm gemacht, dass sie dich lieben
können.“
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L * M * A * A
Da es mir schwerfällt, etwas wegzuwerfen,
fiel mir vor kurzem die 1890 eigenhändig geschriebene Urschrift von Prof. Dr. Hermann Landois in die Hände. Sie befindet sich in einem alten Kontobuch des Bauern
Hoffschulte zu Angelmodde bei Münster/Westfalen.
Vor fast 40 Jahren arbeitete ich in einem Zeitungsverlag und unser Chef
veranstaltete eine Geburtstags-Herrenparty. Unter den verschiedenen Texten, die
wir für seine Gäste drucken mussten, war auch der oben benannte:
L * M * A * A
Was ist des Weisen allerbester Trost?
Was lässt ihn lächeln, wenn alle erbost
Und wollen die Welt zertrümmern?
Wer fand dich, du Trostwort?
Welch’ Sterblicher war’s?
Du triumphierendes * Leck mich am Arsch! *
Wenn uns Fortuna oft hindert und hemmt,
Wenn’s wie ein Alp auf uns lastet,
Dem redlichen Willen entgegengestemmt,
Das Widerstreben nicht rastet,
Da tröstet im männlichen Weitergeh’n
Ein * Leck mich am Arsch * so herrlich schön.
Wenn Stolz und Dummheit das Leben regiert
Und gnädiglich niederwärts nicktet,
Mondkälber jeglicher Art gebiert
Und tiefen Verstand oft erblicket,
Da lächeln wir seelenvergnügt dazu
Ein * Leck mich am Arsch * in glücklicher Ruh!
Ist alles Hoffen und Harren getäuscht,
Sitzt endlich der Mensch in der Stube
Und sehnt sich, im Herzen zerrissen, zerfleischt,
Hinab in die einsame Grube,
Dann ruft er getrost beim letzten Marsch:
* Nun lecket mich all’ miteinander am Arsch! *
* Leck mich am Arsch *, du herrliches Wort!
Hoch, dreimal hoch dem Erfinder!
Auf, Freunde, pflanzt’s weiter und weiter fort
Auf Kinder und Kindeskinder!
Es ist unser Trostwort, es bleibt’s und war’s!
* LECKT MICH ALLE MITEINANDER KREUZWEIS AM
ARSCH *
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